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Ein Totentanz für Transrapid

■ Konservative Verkehrswissenschaftler fällen vernichtendes Urteil über das Transrapidprojekt / Verkehrsminister Krause, Thyssen-Chef Rohkamm und Forschungsminister Riesenhuber bangen um ihr Lieblingsspielzeug..

/ Verkehrsminister Krause, Thyssen-Chef Rohkamm und Forschungsminister Riesenhuber bangen um ihr Lieblingsspielzeug / Keiner will bezahlen

Das Projekt sei technisch unausgreift, sein verkehrspolitischer Sinn fragwürdig, die Finanzierung völlig unklar und die bisherige Kostenschätzung unseriös niedrig. Dieser vierfache argumentative K.o. für das Projekt einer Magnetschwebe- Referenzstrecke Hamburg-Berlin, von taz-Kommentatoren, Umweltverbänden und dem Hamburger SPD-Verkehrsexperten Hermann Scheunemann seit langem behauptet, ist nun in einem detaillierten Gutachten des wissenschaftlichen Beirats des Bundesverkehrsministeriums in vollem Umfang bestätigt worden. Verkehrsminister Günther Krause (CDU), wie Forschungsminister Heinz Riesenhuber (CDU) ein ausgesprochener Groß-Technik-Freak, hielt dieses vernichtende Urteil seit Juli unter der Decke, bis es der Spiegel diese Woche veröffentlichte.

Kein Wunder, schließlich sind die braven Jungs vom wissenschaftlichen Beirat über jeden Verdacht von Technik- und Fortschrittsfeindlichkeit erhaben, verpaßten noch keinem ihrer Minister eine derart schallende Ohrfeige. Dabei hatte Krause im Bundeskabinett in Kenntnis des Gutachtens die Aufnahme der Strecke HH-Berlin in den Bundesverkehrswegeplan durchgesetzt, der Thyssenkonzern in voreiliger Euphorie bereits eine Realisierungsgesellschaft gegründet.

Daß sich mit dem Transrapid überhaupt noch ein Mensch ernsthaft beschäftigt, hat neben männlicher Technikbesessenheit zwei handfeste Gründe. Günther Krause will seiner Heimat Mecklenburg- Vorpommern zeigen, was eine Harke ist. Zwar hätte das arme Land überhaupt nichts von dem anfälligen Betonstelzenflitzer — ausgenommen einige Betonfabriken in der Bauphase —, da das Magnet-Ei rentabel nur ohne Halt zwischen Berlin und Hamburg hin- und herbrettern würde. Dennoch sind derzeit nur Mecklenburg-Vorpommerns Politiker für das Monster, das von der Mehrheit der etwas helleren Großstadtpolitiker in Berlin und Hamburg abgelehnt wird, auch wenn Hamburgs Stadtchef Voscherau sich von dem Schwebegetüm geradezu magnetisch angezogen fühlt.

Zweiter Grund: Transrapid-Konstrukteur MBB/Thyssen-Henschel will nach den staatlichen Milliarden für die Entwicklung nun auch die Marktreife gesponsert bekommen. Ein absurdes Verwirrspiel. Während Krause von „privater Finanzierung“ spricht, buchstabiert Thyssen-Henschel das 10-Milliarden- Projekt etwas anders. Der Staat solle die Strecke und weitere Prototypen bezahlen, dann denke Thyssen gnädig daran, sich an dem fraglos profitablen Betrieb der Strecke Berlin-Hamburg schadlos zu halten. Thyssen hat bereits unmißverständlich klargemacht, daß es nie im Leben daran denke, 10 Milliarden selbstfinanzierter Mark in den märkischen Sand zu setzen.

Da in Krauses 500 Milliarden Mark schwerem Bundesverkehrswegeplan '92 schon heute ein sattes Drittel ohne finanzielle Deckung dasteht, zudem die Finanzierung der 400 Milliarden Mark teuren Bahnreform in den Sternen steht, und zusätzlich noch das Milliardenloch der anstehenden Regionalisierung des öffentlichen Nahverkehrs (5 bis 10 Milliarden jährlich) nach Bonner Stopfung schreit, können sich halbwegs nüchterne Verwaltungsfachleute in Hamburg über das Transrapid-Theater nur totlachen. Das ganze Ding, so bekam die taz zu hören, sei doch lediglich „ein feuchter Furz“.

Grundsätzliche Bedenken formulierte Dietmar Keller, Wirtschaftswissenschaftler des renommierten Hambuger Welt-Wirtschaftsarchivs: Eine „gezielte Förderung von Schlüsselbranchen“ (und nichts anderes bedeutete ein 10-Milliarden- Geschenk an Thyssen) sei weder theoretisch noch praktisch zu rechtfertigen. Florian Marten

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