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Maisfeld zu Kunst

■ Landschafts-Inszenierung zwischen HB und BHV: Stimmen, Bilder, Wind und Wetter

„Ich wußte nicht, wie laut Mais rascheln kann“, sagt Birgit Kratzheller. Die 27-jährige Bildhauerin arbeitet seit zwei Wochen mit einem Dutzend Leuten an einer Landschaftsinszenierung, in deren Mittelpunkt ein Maisfeld steht. Auf einer Fläche von 250 mal 80 Metern in der Nähe der Ortschaft Wittstedt, zwischen Bremen und Bremerhaven, hat Bauer Ewald Amelung eine Futtermaissorte der ganz speziellen Art angepflanzt: „Eva 390“ heißt das besonders schnell wachsende Produkt, zwischen dessen Blättern und Kolben vom 21. August an — acht Tage lang — ein Bilder- Theater inszeniert wird, das den Mais, das Feld, Wind und Wetter zur Bühne und zum Thema macht. „Labyrinth im Maisfeld“ heißt die Landschaftsinszenierung vielsagend und vage.

Sechs SpielerInnen wollen mit Körper und Stimme dem Publikum eine ungewöhnliche Begegnung mit dem Maisfeld vermitteln. Statt mit Musik und Texten arbeiten sie mit Geräuschen und Klängen, natürlichen und künstlichen.

Die Idee stammt von dem gebürtigen Bremerhavener Jens-Erwin Siemssen, der im letzten Jahr mit einer großen Crew den inzwischen abgerissenen Bananenschuppen im Bremerhavener Kaiserhafen zum Ort eines suggestiven Bilderspiels erkor. Die Idee, in den Mais zu gehen, kam dem Bildertheatermacher bei einem Spanienurlaub, als er eine Bäuerin mit der Sichel in der Hand den Mais schneiden sah. Es kostete ihn zur eigenen Überraschung nicht mehr als ein Telefonat, um Bauer Ewald Amelung für die Inszenierung zu gewinnen. Birgit Kratzheller erklärte sich bereit, die bildnerische Gestaltung zu übernehmen, ihre Schwester Claudia Kratzheller zeichnet verantwortlich für die Arbeit mit den Stimmen. Zur Vorbereitung sind die KünstlerInnen in einem Bauwagen an den Ort des Geschehens gezogen und haben in den ersten sechs Tagen ihre Umgebung und ihr Maisfeld einer „Recherche“ unterzogen. „Wir sind mittlerweile Fachleute für Mais geworden“, sagt Siemssen. Alle Beteiligten haben ihre Eindrücke bei verschiedenen Arten, das Feld zu begehen (mal blind, mal taub), festgehalten. Diese erste emotionale „Lesart“ des Maisfelds, dessen 99.000 Pflanzen inzwischen durchschnittlich zwei Meter hoch sind, soll dem Publikum angetragen werden.

Von den BewohnerInnen des naheliegenden Wittstedt wird die Aktion mit Neugier verfolgt. Siemssen: „Wir haben nie gehört: 'Was macht ihr denn hier für'n Schiet?'“ Schwieriger sei es schon gewesen, 2.500 DM Unterstützung vom Landkreis Cuxhaven zu bekommen. Aber der Einwand, mit Nahrungsmitteln spiele man nicht, konnte die Gruppe entkräften. Der Futtermais der Sorte „EVA 390“ wird nach der Aktion zur Viehfütterung verwendet.

In der kommenden Woche werden die verschieden großen, runden und eckigen Spielräume in das Maisfeld geschnitten. Ein Fotograf und ein Filmteam der Berliner Filmhochschule halten die gesamte Aktion fest, die später in Amsterdam und Mainz dokumentiert werden soll. Jens-Erwin Siemssen und Birgit Kratzheller wollen 1993 mit bundesdeutschen Geldern ihr Mais-Projekt in den Niederlanden und in Polen durchführen. Haben sie Angst, ihre Arbeit könnte buchstäblich ins Wasser fallen?“ Nein, sagen sie, sie rechneten mit verschiedenen Witterungen. Es sei auch bei Regen eine gute Inszenierung: „EVA 390 findet auf jeden Fall statt.“

hans happel

Die Vorstellungen vom 21. bis 29. August beginnen jeweils um 21.00 Uhr.

Das Maisfeld liegt an der L135 auf der Höhe von Driftsethe. Es wird ausgeschildert sein. Telefonische Kartenreservierung wird empfohlen: 0471/ 414616

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