Ozon — ein Reizwort hat Konjunktur

■ Extreme Sonneneinstrahlung auf die schadstoffbelastete Erdoberfläche setzt Sauer- stoffatome frei, die sich mit dem Sauerstoff der Luft zum Reizgas Ozon verbinden

Was oben hui ist, ist unten pfui: In der Stratosphäre, in etwa 30 km Höhe, ist das Ozon als Filter für ultraviolette Sonnenstrahlung unentbehrlich, ja ermöglicht erst menschliches Leben. Wird die Ozonschicht durch die Einwirkung von FCKWs aber durchlöchert, besteht für die Lebewesen unten ein erhöhtes Krebsrisiko. Ganz anders die Situation im Falle des bodennahen Ozons: Hier hat die Konzentration dieses Reizgases in den letzten Jahren zugenommen und gefährdet die Gesundheit von Menschen, Tieren und Planzen. Stickoxid und Kohlenwasserstoff werden aus Autoauspuffen, Kraftwerksschloten und Giftküchen der petrochemischen Industrie ausgestoßen. Wenn dann an Sommertagen die Sonne für längere Zeit auf diesen Chemiecocktail einstrahlt, werden Sauerstoffatome freigesetzt, die sich sofort mit dem Sauerstoff der Luft zum Ozon verbinden.

Nach Sonnenaufgang steigt die Konzentration des Reizgases sprunghaft an und erreicht am späten Nachmittag ihren Höchstwert. Sobald die Sonne untergeht, wird dieser Prozeß gestoppt; nun vollzieht sich sogar eine gegensätzliche Reaktion: Das Stickoxid verbindet sich mit dem Ozon und wandelt dieses in harmlosen Sauerstoff um. Das ist auch der Grund, weshalb ausgerechnet in den Ballungszentren, mit ihren durch den Autoverkehr bedingten hohen Schadstoffwerten, die Ozonkonzentration nachts am schnellsten zurückgeht, während sie auf dem Lande, mit seiner relativ sauberen Luft, nach Anbruch der Dunkelheit noch länger im hohen Bereich bleibt. Lokal begrenzte Fahrverbote bei Auftreten des Sommersmogs, wie früher von UmweltschützerInnen gefordert, werden daher mittlerweile sogar als kontraproduktiv angesehen.

Bei bestimmten Wetterlagen kommt ein weiteres Phänomen hinzu. Dann können sauerstoffabgebende Stoffe über Hunderte von Kilometern transportiert werden und dabei immer weiter Ozon produzieren. Der Kraftfahrzeug-Verkehr in Lissabon kann so zum Auftreten des Reizgases in Berlin beitragen und umgekehrt.

Anstelle von punktuellen Fahrverboten setzen sich Fachleute daher zunehmend für eine generelle Wende in der Verkehrspolitik ein. Ein Umsteigen vom Auto aufs Fahrrad oder auf öffentliche Transportmittel würde die Schadstoffbelastung radikal herunterschrauben, da die Blechkisten die Hauptproduzenten des bodennahen Ozons sind. Auf Dauer, so hofft etwa die niedersächsische Umweltministerin Monika Griefahn, werden die Bundesbürger sich nicht damit abfinden, daß sie ihre Kinder bei strahlendem Sonnenschein zu Hause einsperren sollen, die Autos dagegen weiter auf den Straßen fahren dürfen. Udo Bünnagel