■ Tour d'Europe
: Offene Grenzen

Die EG-Mitgliedstaaten sollen ihre Grenzen öffnen, um ihre Verantwortung für die Flüchtlinge aus Bosnien und Herzegowina übernehmen zu können“. Dies forderten am Montag nicht nur viele der zur Krisensitzung des Europaparlaments in Brüssel angereisten Abgeordneten. Auch der EG-Kommissionspräsident ermahnte die zwölf Regierungen, ihre rigide Einreise- und Visumspolitik im Falle der Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien noch einmal zu überdenken. Der Gemeinschaft seien zwar die Hände gebunden, was andere Krisenregionen wie Somalia anginge, bemerkte Jacques Delors. Im Falle des Balkans müsse die EG jedoch ihre Verantwortung der Öffentlichkeit und den Opfern gegenüber übernehmen. Denn „wenn es uns nicht gelingt, die serbischen Ultranationalisten einzudämmen, wird diese Seuche ganz Europa anstekken“. Für die Ende August geplante Friedenskonferenz der EG in London stellte er deshalb sechs Bedingungen:

—Alle Gefangenenlager müssen von einem internationalen Gremium kontrolliert werden.

—Humanitäre Hilfe muß garantiert sein (notfalls durch militärischen Einsatz)

—Die Hilfe für diejenigen ehemaligen jugoslawischen Republiken, die Flüchtlinge aufnehmen, soll ausgeweitet werden.

—Mehr Flüchtlinge sollen für eine Übergangszeit von den EG-Staaten aufgenommen werden.

—Verschärfung des Embargos

—Intensivierung der diplomatischen Aktivitäten zur Verteidigung der Menschenrechte

Falls die Mitgliedstaaten nicht auf diesen Mindestbedingungen bestünden, wäre die Konferenz zum Scheitern verurteilt, warnte Delors. Adressat war vor allem die britische Regierung, die im Juli die Präsidentschaft im EG-Ministerrat übernommen und sich bislang in dieser Frage sehr zurückhaltend gezeigt hat. In London hofft man darauf, daß mit den Gesprächen der „Druck auf die verschiedenen jugoslawischen Gruppen, besonders Serbien, verstärkt“ wird und diese dadurch vom Schlachtfeld weg an den Verhandlungstisch gebracht werden.

Die Möglichkeit eines militärischen Einsatzes wurde während der Debatte im Europaparlament nur als äußerstes und meist nicht direkt genanntes Drohmittel angesehen. Der zuständige Ausschuß stellt fest, daß „das Problem im ehemaligen Jugoslawien nicht allein mit humanitären Mitteln gelöst werden kann. Solange Hilfe gewährt wird, ohne die Menschen dort, wo sie wohnen, zu schützen, bleibt eine langfristige Lösung aussichtslos“. bull