: Staatsanwältin fordert Bewährungsstrafe für DDR-Richter
Berlin (AP) — Im ersten Prozeß wegen Rechtsbeugung in der DDR hat die Staatsanwaltschaft gestern Bewährungsstrafen für zwei ehemalige Richter gefordert. Die Staatsanwaltschaft sieht den Tatbestand der Rechtsbeugung als erwiesen an. Die angeklagte Kerstin Teitge habe bewußt und eindeutig gegen das damals geltende Recht in der DDR verstoßen, sagte die Staatsanwältin in ihrer Begründung. Sie forderte acht Monate Haft auf Bewährung für die frühere Richterin am Bezirksgericht Berlin-Mitte. Für den einstigen Vorgesetzten von Kerstin Teitge, den Oberrichter Klaus Rosenfeld, plädierte die Staatsanwältin wegen Anstiftung auf elf Monate Haft auf Bewährung.
Dagegen plädierten die Verteidiger der beiden Angeklagten auf Freispruch. Sie bezeichneten das umstrittene Urteil als „in der damaligen Situation objektiv richtig“. Das Justizwesen der DDR könne ihren Angaben zufolge nicht an rechtsstaatlichen Grundsätzen gemessen werden.
Teitge hatte noch im Oktober 1989, wenige Wochen vor der Maueröffnung, die Klage eines Beschäftigten beim Vorstand des DDR-Gewerkschaftsbundes FDGB, dem aus politischen Gründen gekündigt worden war, als „objektiv unbegründet“ zurückgewiesen. Der Mann war seinerzeit aus der DDR-Einheitspartei SED ausgeschlossen worden, weil er sich geweigert hatte, einer Betriebskampfgruppe beizutreten. Daraufhin war ihm vom Gewerkschaftsbund FDGB gekündigt worden. Der Vorgesetzte der beruflich noch unerfahrenen Richterin, Oberrichter Klaus Rosenfeld, hatte sie nach ihrer eigenen Darstellung zu dieser Entscheidung gedrängt.
Für diese Kündigung habe es keinen rechtlichen Grund gegeben, sagte die Staatsanwältin. Dies hätten die beiden Angeklagten gewußt. „Juristische Laienkenntnisse hätten ausgereicht, um das zu erkennen.“ Der Oberrichter Rosenfeld habe die junge Richterin, die immerhin noch Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihres Urteils gehabt habe, mit seiner Autorität zu der politischen Entscheidung veranlaßt.
Die Verteidiger betonten dagegen in ihrem Plädoyer auf einen doppelten Freispruch, das Urteil habe sich im Rahmen dessen bewegt, was in der DDR üblich gewesen sei.
„Die DDR-Justiz war ein Instrument der Mächtigen. Die DDR- Richter waren nicht unabhängig. Das kann man ihnen nicht zum Vorwurf machen“, sagte Klaus Eschen, der Verteidiger Teitges. Die Rechtswirklichkeit der DDR könne von einem bundesdeutschen Gericht nicht erfaßt werden.
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