piwik no script img

Die SPD, das Militär und der Krieg

SPD-Abgeordnete stellten in Bonn Klage gegen Bundeswehreinsätze in der Adria vor/ Neben Verfassungswidrigkeit soll Karlsruhe prüfen, ob Parlamentsrechte von der Regierung verletzt wurden  ■ Aus Bonn C. C. Malzahn

Die SPD hat gestern in Bonn ihre Organklage beim Bundesverfassungsgericht gegen den Adria-Einsatz der Bundeswehr vorgestellt. Herta Däubler-Gmelin, stellvertretende Fraktionsvorsitzende, bekräftigte noch einmal die Auffassung ihrer Partei, daß das Entsenden der Schiffe „Bayern“ und „Niedersachsen“ an die kroatische Küste verfassungswidrig sei. Sie stellte klar, sie sei generell gegen Miltäreinsätze der UNO im ehemaligen Jugoslawien.

Die Klage der SPD richte sich zum einen gegen den Einsatz der deutschen Kriegsschiffe, erklärte der Frankfurter Staatsrechtler Michael Bothe. Bothe wird die SPD als Prozeßbevollmächtigter vertreten. Neben der Verfassungswidrigkeit des Einsatzes seien aber auch grundlegende Rechte des Parlamentes verletzt worden, sagte er. Die Bundesregierung hätte die Schiffe nur in Marsch setzen dürfen, wenn Bundestag und Bundesrat dem zuvor mit Zweidrittelmehrheit zugestimmt hätten. Eine einfache Mehrheit, wie sie auf der Sondersitzung des Parlaments im Juli zustande kam, reiche nicht aus. Die Bundesregierung habe das Parlament bewußt brüskiert und überrumpelt, um vollendete Tatsachen zu schaffen, sagte Herta Däubler-Gmelin. Mit der Klage in Karlsruhe wolle man auch die Rechte des Bundestages verteidigen. Es könne nicht angehen, daß die Bundesregierung „in eigener Machtvollkommenheit“ neue Einsatzformen für die Bundeswehr schaffe, ergänzte Bothe. Die Klage wird von 225 der insgesamt 239 SPD-Abgeordneten unterstützt, darunter auch der Querdenker Andreas von Bülow.

Däubler-Gmelin appellierte an die Bundesregierung, unmißverständlich klarzustellen, daß Einsätze deutscher Soldaten im ehemaligen Jugoslawien nicht über humanitäre Zwecke hinausgingen. Die Chancen, den Krieg durch militärische Aktionen der UNO beenden zu können, beurteilte sie eher skeptisch. Statt dessen solle das UNO-Embargo wirksamer durchgesetzt werden. Eine Beteiligung deutscher Soldaten an der militärischen Sicherung von Hilfstransporten in Bosnien lehnte sie ebenfalls ab.

Parteivizechef Lafontaine stellte den Sinn solcher Sicherungsmaßnahmen in einem Interview mit dem Deutschlandfunk sogar generell in Frage. Er befürchtet, daß es dann schnell zu einer Eskalation der Gewalt kommen könne. „Was passiert denn, wenn Luftverbände angegriffen werden?“ fragte er rhetorisch. Mit dieser Äußerung setzt sich Lafontaine, genauso wie Däubler- Gmelin, vom SPD-Parteichef ab. Björn Engholm hatte tags zuvor erklärt, daß seine Partei im Extremfall militärische Sicherungseinsätze von Hilfstransporten unterstützen werde, wenn sie von der UNO kontrolliert und beschlossen würden. Lafontaine sprach allerdings auch von „Grenzfällen“, die seine Partei mittragen könne — allerdings ohne sie weiter zu spezifizieren.

Nach Ansicht der Unionsfraktionen steht die Klage der SPD gegen den Adria-Einsatz auf „tönernen Füßen“. Von einer Ausschaltung des Parlaments durch die Regierung könne keine Rede sein, erklärte der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Eduard Oswald. Sein CDU-Kollege Jürgen Rüttgers sagte, die SPD-Klage sei ein „Trauerspiel“. Die SPD wolle die Karlsruher Richter offenbar dazu mißbrauchen, ihre tiefgreifenden Meinungsverschiedenheiten klären zu lassen. Der sicherheitspolitische Sprecher der SPD, Andreas von Bülow, hatte sich in den vergangenen Tagen mehrmals dafür ausgesprochen, gezielte Luftangriffe auf serbische Stellungen zu fliegen. Eine Beteiligung deutscher Soldaten hatte er befürwortet, „wenn andere beteiligte Staaten dies verlangen“ würden. Mit dieser Haltung ist Bülow in seiner Partei allerdings noch isoliert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen