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Bohrer statt Kochlöffel

■ Selbstbewußte Frauen in technischen Berufen haben gute Aufstiegsmöglichkeiten / Die Chefs müssen aber alte Zöpfe fallen lassen

haben gute Aufstiegsmöglichkeiten / Die Chefs müssen aber alte Zöpfe fallen lassen

Andrea Seifer ist eine zierliche, gutaussehende Frau. Daß sie mit Bohrmaschine und komplizierten Elektroschaltungen genauso gut umgehen kann wie mit dem Kochlöffel, löst bei ihren männlichen wie weiblichen Bekannten Erstaunen und Skepsis aus: „Was, sowas kannst Du?“ Bis vor kurzem wußte die 27jährige Hamburgerin selber nicht, daß sie sich mehr zutrauen kann, als bloß eine Glühbirne auszuwechseln.

Als sie mit 16 schwanger wurde, sah ihre berufliche Zukunft mit einem Schlag zappenduster aus. Sie brach die Hauptschule ab. Erst Jahre später machte sie den Abschluß nach. Doch was jetzt? Lange Zeit grübelte Andrea Seifer über den richtigen Beruf nach. In ihrer Ratlosigkeit versuchte sie sich in einem Schnupperkurs bei der Stiftung Berufliche Bildung, der Frauen den gewerblich-technischen Bereich vorstellt.

Das war die Initialzündung. Heute macht sie eine Umschulung zur Elektronikerin und ist überaus zufrieden, daß sie eine Perspektive hat. Endlich habe sie wieder einen richtigen Grund, morgens aufzustehen. Ihr inzwischen elfjähriger Sohn sei ganz stolz darauf, daß seine Mutter eine Ausbildung mache und gebe ihr Tips — so von Schüler zu Schülerin.

Die Geschichte von Andrea Seifer klingt so übertrieben positiv wie aus einem Werbeprospekt für technische Berufe. Doch die Freude ist echt. Ob die Story auch ein Happy-End hat, bleibt abzuwarten. Einen Job in diesem Gewerbe zu finden, ist nicht das Problem. Es gilt aber, mit Ruhe und Selbstbewußtsein die offenbar unausrottbaren Vorurteile von Chefs und Arbeitskollegen gegen Frauen mit technischem Know-how auszuräumen. Sind diese Hürden erst einmal überwunden, bietet dieser Berufszweig Aufstiegschancen und gute Bezahlung.

Daß die Frauen, die sich für eine Umschulung in einem technischen Bereich entschieden haben, mit sichtlichem Spaß bei der Sache sind, liegt sicher auch daran, daß sie stolz darauf sind, die eigenen Vorurteile gegen sich selber überwunden zu haben. Die ehemalige Krankenpflegerin Helga Kaiser beispielsweise war der festen Überzeugung, sie könne nicht gut genug rechnen. Zu ihrer eigenen Verblüffung klappte es dennoch. Oder die polnische Aussiedlerin Lidia Mrozowski, die mit ihren 36 Jahren glaubte, schon zu alt zu sein, um nochmal neu anzufangen.

Wer Lust bekommen hat, sich unverbindlich über eine Technik- Umschulung zu informieren, kann dies am 9. September beim Werkstatt-Schnuppertag bei der Stiftung Berufliche Bildung, Wendenstraße 493 in Hamburg-Hamm tun. Nachfragen bei Elisabeth Janert und Barbara Krochmann unter 21112221. Wer einen intensivere Orientierung und Vorbereitung möchte, kann sich zu einem zweieinhalb Monate dauernden Kurs anmelden. Die nächsten beginnen am 1. September und am 23. November. Kosten entstehen den Teilnehmerinnen nicht. Die Kurse sind nur für Frauen. Sigrun Nickel

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