: Kirche geht zu Stolpe auf Distanz
■ Eppelmann legt neues Belastungsmaterial vor und fordert kirchliches Disziplinarverfahren gegen Stolpe/ EKD hat „ernstliche Fragen“ an den Ministerpräsidenten/ Stolpe: Eppelmann ahnungslos
Potsdam/Hannover (afp) — Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat auf neue Hinweise des brandenburgischen CDU-Bundestagsabgeordneten Rainer Eppelmann zum Fall des brandenburgischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD) mit Betroffenheit reagiert. Der Eindruck sei „nicht abzuweisen“, daß Stolpe in seiner früheren Funktion „gegen eine ausdrückliche Anweisung des Bischofs verstoßen und neben und gegen die Kirchenleitung auf eigene Faust Kirchenpolitik und Politik gemacht“ habe, teilte der EKD-Sprecher Peter Kollmar gestern in Hannover mit.
Gestützt auf einen Gesprächsvermerk aus dem DDR-Staatssekretariat für Kirchenfragen hatte Eppelmann in einem Brief an den Präsidenten des Kirchenamtes der EKD, von Kamphausen, die Einleitung eines kirchlichen Disziplinarverfahrens gegen Stolpe gefordert. Stolpe habe „heimlich und verbotenerweise“ mit Staatsvertretern über innerkirchliche Angelegenheiten gesprochen.
Eppelmann, der auch Vorsitzender der Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der SED-Vergangenheit ist, bezieht sich bei seinen Beschuldigungen auf einen im SED-Archiv gefundenen Vermerk eines Mitarbeiters des Staatssekretariats, den Stolpe am 25. August 1964 „auf eigenen Wunsch“ besucht hatte. Dabei habe Stolpe nach Eppelmanns Auffassung auch „inhaltlich im Gegensatz zu seinen kirchlichen Vorgesetzten“ gehandelt. „Zusätzlich erschwerend“ sei, „daß Manfred Stolpe dieses Gespräch zu einem Zeitpunkt geführt hat, als er die von ihm bisher nur behauptete kirchliche Generalvollmacht keineswegs schon gehabt haben konnte“.
Stolpe soll bei seinem Treffen im Staatssekretariat unter anderem über einen Brief berichtet haben, den sein damaliger Vorgesetzter Bischof Krummacher an den ökumenischen Pressedienst nach Genf geschrieben hatte. Damit habe Stolpe, laut Eppelmann, auch gegen eine innerkirchliche Verfügung von 1955 verstoßen, wonach „dienstliche Angelegenheiten an dritte Personen nicht ohne Zustimmung der verschiedenen kirchlichen Behörden gegeben werden dürfen“.
Sollte sich der Vermerk als richtig herausstellen, so EKD-Sprecher Kollmar, ergäben sich „schwerwiegende Fragen“. Es müsse dann geklärt werden, in welchem Auftrag und mit welchem Ziel das Gespräch zustande kam. Eventuell notwendige dienstliche Schritte seien dann von der zuständigen Landeskirche Berlin-Brandenburg einzuleiten.
Ministerpräsident Stolpe wies die Vorwürfe des Bundestagsabgeordneten umgehend zurück. „Rainer Eppelmann irrt sich.“ Es sei „erschreckend, wie wenig der derzeitige Vorsitzende der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages zur Aufklärung der DDR-Vergangenheit über die Kirchengeschichte der 60er Jahre weiß“. Stolpe betonte, er habe seit 1963 im Auftrag der Konferenz der Kirchenleitungen mit staatlichen Stellen verhandelt.
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