: Kein Füllhorn für die freie Kultur
■ Kultursenatorin stellte ihr Förderkonzept der freien Kulturinitiativen vor
Gegen den Vorwurf, eine einseitig an spektakulären Kulturprojekten orientierte Kulturpolitik zu treiben, verteidigte sich Senatorin Trüpel gestern auf einer Pressekonferenz mit der Vorstellung ihres Finanzierungskonzeptes für die freie Kunstszene in Bremen. „Wir hatten gewiß kein Füllhorn auszuschütten“, sagte sie, „aber ohne unser Engagement sähe es, in Anbetracht der finanziellen Situation Bremens, für die freien Projekte sehr viel schlimmer aus.“ Ein Ausfall von 283 ABM- Stellen in den Ressorts Kultur und Ausländerintegration ist aufzufangen.
Dafür werden zunächst mit einem jährlichen Etat von 1,5 Millionen Mark einzelnen Projekten jeweils 75.000 Mark zur Verfügung gestellt, um ca. 40 Stellen in den Kulturinitiativen der Stadtteile zu erhalten. Dazu gehören z.B. die beiden Frauenkulturprojekte „belladonna“ und Frauenkulturhaus, der Schlachthof und das Lagerhaus. Drei bis fünf Jahre soll so eine ABM-unabhängige Arbeit gewährleistet sein.
20 ABM-Kräfte (17 für den Kultur-, drei für den Ausländerintegrationsbereich) hatte die Kulturbehörde zu vergeben. Das Freiraumtheater, das Kommunale Kino und die Galerie „El Patio“ sind unter den glücklichen EmpfängerInnen.
Weiterhin werden aus dem Topf für „unabweisbar förderungswürdige Projekte“ neben Ausländerintigrations-Initiativen die Bremer Frauenwoche, das Blaumeier-Atelier, das Deutsche Tanzfilm-Institut u.a. zusätzliche Mittel erhalten.
Aus den 14 „Trüpelmillionen“ und mit einem Sonderprogramm von 2,5 Millionen Mark sollen Sonderausstellungen u.ä. unterstützt werden — als Unterstützung der freien Kulturszene.
Die „freie Kulturszene“ selbst reagiert verhalten auf das Finanzierungskonzept, vom Berufsverband Bildener Künstler (BBK) abgesehen, der in einem gestrigen Gespräch mit der Senatorin überraschend 60.000 Mark zugesichert bekam.
Die Künstlerinnen-Organisation GEDOK sieht sich mit der Finanzierung einer halben Stelle „relativ gut weggekommen“. Konzertverein Dacapo „kann sich nicht beschweren“ und freut sich über die positive Resonanz aus der Behörde auf ihren kleinen 4-Personenbetrieb.
Andere Projekte aber, wie „belladonna“, Lagerhaus und, deutlicher noch, der Schlachthof urteilen zwiespältig. Einerseits sind sie aus der schlimmsten ABM-Krise gerettet, andererseits aber, sagt Schlachthof-Mitabeiter Ralf Lorenzen, seien die freien Projekte nicht aus der Rolle der Bittsteller herausgekommen: „Der Start ist durchaus hoffnungsvoll, aber ungenügend.“
Kulturratsprecher Volker Schmidt hat wenig Hoffnungen für das Überleben der kleinen Projekte „ohne Lobby“, all der Videogruppen, Tanztees und Bildhauerseminare: „Der Bremer Kulturszene steht eine völlige Umstrukturierung bevor. Für die sozio-kulturelle Szene wird da wenig zu machen sein. Wer sieht eigentlich, was Bremen da verlorengeht?“
Cornelia Kurth
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