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Hassemer: Ab 1994 nur Kat-Autos in die City

■ Innerhalb des S-Bahn-Rings sollen Autofahrer für »Dreckschleudern« ab 1994 zahlen/ Für Brückenstraße vorerst kaum Entlastung

Berlin. Der Plan von Umweltsenator Volker Hassemer (CDU), Autos und LKWs mit veralteter Abgastechnik zu benachteiligen, nimmt konkrete Formen an. Autofahrer, deren Fahrzeug nicht mit einem Dreiwege-Katalysator ausgrüstet ist, sollen ab 1. Januar 1994 eine Gebühr zahlen, wenn sie innerhalb des S-Bahn- Rings fahren wollen. Die gleiche Regelung soll für 3,5-Tonner mit Benzinmotor ab 1995, für schwere LKW, deren Abgase nicht die Ansprüche der »Euro 2-Norm« erfüllen, ab 1996 gelten. Die Tagesgebühr soll in etwa dem Preis eines BVG-Einzelausweises und die monatliche Gebühr dem Preis der Umweltkarte entsprechen. Mit der Fahrerlaubnis werden gleichzeitig auch eine BVG-Tageskarte oder das Umweltticket erworben.

Die Erlaubnis, mit »schmutzigen« Autos und Lastern in dem Gebiet mit 1,2 Millionen Einwohnern gegen Entgelt fahren zu dürfen, gilt nur die folgenden fünf Jahre nach dem Inkrafttreten des Hassemer-Plans. Ist diese Übergangszeit abgelaufen, gilt für Autos und LKW ohne Kat in der Berliner Innenstadt ein totales Fahrverbot. Für Anwohner sollen Ausnahmeregelungen gelten.

Umweltsenator Hassemer will mit diesen Maßnahmen die Luftverschmutzung in den Innenstadtbereichen, zu der im wesentlichen der Autoverkehr beiträgt, auf ein »erlaubtes« Maß senken. Hintergrund sind die von Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) lange angekündigten Alarmwerte für Stickstoffdioxid und die krebserregenden Stoffe Dieselruß und Benzol, die in diesem Jahr festgesetzt werden sollen. Im Berliner Stadtgebiet werden diese Alarmwerte überschritten — insbesondere der des Stickstoffdioxids. Der geplante Alarmwert von 135 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft wird zur Zeit bei über zwei Dritteln der innerstädtischen 248 Hauptstraßen nicht unterschritten. Mit Inkrafttreten der Töpfer-Werte ist es den Kommunen erstmals erlaubt, mit Hilfe des Bundes-Immissionsschutz-Gesetzes — kurz Bimsch — Maßnahmen gegen den Verkehr zu ergreifen.

Hassemer will mit seinem Konzept Anreize schaffen, daß möglichst viele Auto- und LKW-Fahrer ihre Fahrzeuge umweltfreundlich umrüsten oder bei einem Kauf auf Umweltfreundlichkeit achten. Der Umweltsenator rechnet damit, daß durch die Vorteile für schadstoffarme Fahrzeuge die Alarmwerte für Benzol und Dieselruß unterschritten werden, die Ozonbelastung zurückgeht und sich die allgemeine Luftqualität verbessert. Durch die zusätzlichen Einnahmen im öffentlichen Nahverkehr tragen die Besitzer von »Dreckschleudern« zum Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs bei.

Der Umweltsenator hat sein Konzept mit Vertretern der deutschen Automobilindustrie abgestimmt. Hassemer geht davon aus, daß die anderen Verwaltungen seinem Vorhaben zustimmen werden und die Landesregierung das Kat-Konzept noch dieses Jahr verabschieden könnte.

Eberhard Waldau, Vorstandsmitglied des ADAC, übte auf Hassemers gestriger Pressekonferenz Kritik. Sein Konzept sei nicht mit dem Plan des Verkehrssenators abgestimmt, nach dem Autofahrer mit Umweltticket beim Parken um den Alexanderplatz und Zoo bevorteilt werden sollen.

Trotz seines Versprechens, daß sich die Luftqualität in Berlin verbessern werde, legte Umweltsenator Hassemer keinen Zeitplan vor, bis wann welche Werte wie tief gesunken sein sollen. Dementsprechend hat Hassemer auch keine weitergehenden Maßnahmen geplant, falls die Luft trotz »Kat-Konzept« gar nicht oder nicht wesentlich sauberer werden sollte. Die Warnung des »Länderausschusses für Immissionsschutz«, in dem die Umweltministerien aller Bundesländer vertreten sind, daß eine Schadstoffbegrenzung für einzelne Autos nicht ausreiche, solange die Zahl der Autos weiter zunimmt, schlug Hassemer gestern erneut in den Wind. Die Situation in der Brückenstraße in Mitte, die von Autoabgasen am stärksten in Mitleidenschaft gezogen wird, werde sich vorerst nicht verbessern, gab Hassemer auf Nachfragen zu. Dirk Wildt

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