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Weg frei für UNO-Blauhelme nach Somalia

■ Nach Abkommen mit dem somalischen Kriegsherren General Aidid gibt UNO-Generalsekretär Butros Ghali grünes Licht für die Stationierung von 500 Blauhelmen in Mogadischu bis Ende August/ UN-Beauftragter Sahnoun: „Dies ist keine Friedenstruppe“

Berlin (taz) — 500 bewaffnete UNO-Blauhelme sollen demnächst in Somalias Hauptstadt Mogadischu landen, um die Sicherheit humanitärer Lebensmitteltransporte zu gewährleisten. Der UNO-Sonderbeauftragte für Somalia, Mohammed Sahnoun, unterzeichnete am Mittwoch ein entsprechendes Abkommen mit vier bewaffneten somalischen Gruppierungen, die sich zuvor gegen eine UNO-Stationierung gewandt hatten. Daraufhin bestätigte UNO-Generalsekretär Butros Ghali in New York, dem Einsatz stünde nichts mehr im Wege. Die Blauhelme werden voraussichtlich aus Ägypten, Indonesien, Kanada und Pakistan kommen und sollen bis Ende August in Mogadischu eintreffen. Das pakistanische Kontingent könnte schon nächste Woche in der Hauptstadt präsent sein.

„Ich hoffe, daß diese Entwicklung die internationale Gemeinschaft ermutigen wird, die Hilfslieferungen für Somalia zu steigern“, sagte Sahnoun in Nairobi nach seiner Rückkehr aus Somalia. Fast zwei Wochen lang hatte er mit General Farah Aidid, der den größten Teil Mogadischus und südliche Landesteile kontrolliert, Verhandlungen geführt. Aidid steht an der Spitze eines Bündnisses namens „Somalische Nationale Allianz“ (SNA), dessen Mitglieder den Süden Somalias beherrschen. Der Durchbruch und die Unterzeichnung eines Abkommens geschah im SNA-Hauptquartier in der Stadt Bardera, 300 Kilometer westlich von Mogadischu, wo sich in letzter Zeit Tausende hungernder Kriegsflüchtlinge eingefunden haben, die zum Teil drei bis vier Wochen Fußmarsch hinter sich haben und völlig erschöpft sind.

Aidid sagte, er habe der Stationierung zugestimmt, weil er die humanitäre Notlage Somalias nicht allein bewältigen könne. „Wir glauben, daß die internationale Gemeinschaft und die UNO nicht genug humanitäre Hilfe geleistet haben. Das somalische Volk hat das Gefühl, daß die internationale Gemeinschaft sie im Stich läßt.“

Die Blauhelm-Entsendung entspricht einer UNO-Sicherheitsratsresolution vom 27. Juli. Zuvor waren lediglich 47 unbewaffnete UNO- Beobachter in Mogadischu stationiert. Das UNO-Team unter Sahnoun wird seinen Bericht über die genauen Modalitäten der Stationierung morgen im New Yorker UNO- Hauptquartier vorlegen. Die Details sollen dann in der nächsten Woche festgelegt werden.

Das Aktionsgebiet der UNO-Soldaten in Mogadischu soll sich auf den Flughafen, den Hafen und die Verteilungszentren innerhalb der Hauptstadt beschränken, sagte Sahnoun in Nairobi. Laut dem Abkommen mit Aidid und der SNA dürfen sie lediglich Lebensmitteltransporte eskortieren und Mogadischu nicht verlassen. Wie dies mit der Bestimmung der Sicherheitsratsresolution zusammenpaßt, wonach Somalia in „vier Zonen“ zur Garantie der Versorgung der Bevölkerung aufzuteilen sei, ist unklar. Fest steht nur, daß die UNO- Truppe — ähnlich wie dies für Bosnien vereinbart worden ist — sich strikt auf einen humanitären Begleitschutz beschränkt und keine Aufgaben der Friedenssicherung übernimmt. Zwar wird seit Anfang März in Mogadischu ein Waffenstillstand eingehalten — doch noch immer treiben bewaffnete Banden, die Lebensmitteltransporte plündern, in der Hauptstadt ihr Unwesen. Außerhalb der Hauptstadt ist die Lage noch unsicherer.

„Dies ist keine Friedenstruppe“, erklärte Sahnoun. „Wir als UNO können nicht Gesetz und Ordnung in ganz Somalia sichern. Dazu wären Tausende von Soldaten notwendig.“ Außerdem müßte die UNO dann neue Verhandlungen mit den jeweiligen örtlichen Machthabern führen. 500 Soldaten seien genug für Mogadischu, „wenn wir uns nicht einer feindlichen Umgebung gegenübersehen“. Hilfsorganisationen hatten zuvor geschätzt, daß 2.000 Blauhelme in Mogadischu nötig wären, wenn Aidid seine Ablehnung einer UNO-Intervention aufrechterhielte.

Doch auch mit Aidids Zustimmung wird die Aufgabe der Blauhelme schwierig genug sein. Die bewaffneten Gruppen, die in der Vergangenheit große Teile der bereits eingetroffenen Nahrungsmittelhilfe geplündert haben, unterliegen oftmals keiner sichtbaren Kontrolle irgendeines Kriegsherren. Manchmal, wie Sahnoun kürzlich in einem Zeitungsinterview bestätigte, entstehen Konflikte auch dadurch, daß lokale Händler die Hilfsorganisationen mit ihren Gratisverteilungen von Lebensmitteln als ruinöse Konkurrenz empfinden.

Der UNO-Unterhändler, der bis zum Januar dieses Jahres als außenpolitischer Berater des gestürzten algerischen Präsidenten Chadli Bendjedid tätig war, nannte in dem Interview auch andere Schwierigkeiten bei der Verteilung von Hilfsgütern. „Somalia ist ein langgestrecktes Land“, sagte Sahnoun. „Es ist schwierig, überall präsent zu sein. Manche Regionen wurden bisher privilegiert, besonders Mogadischu. Gleichzeitig führt der Zustrom von Hilfe in die Hauptstadt zu unlösbaren Problemen. Ihre Bevölkerung hat sich in einigen Monaten praktisch verdoppelt.“

Daß die UNO-Hilfe nun auf Mogadischu konzentriert werden soll, wird dieses Problem einer Lösung nicht näherbringen. Auch die Haltung der Hilfsorganisationen und die Koordination ihrer Aktivitäten mit der UNO ist noch nicht geklärt. Die Menschenrechtsorganisation Africa Watch hat gerade die Welt aufgefordert, „Somalia mit Lebensmittelhilfe regelrecht zu überschütten“, was einer Revitalisierung der zerstörten Landwirtschaft zuwiderläuft. UNO- Unterhändler Sahnoun schlägt dagegen vor, „60 bis 70 Prozent der Hilfe zu Niedrigpreisen an lokale Händler zu vergeben, damit die sie vermarkten. So kann man die Wirtschaft wieder in Gang bringen und gleichzeitig Plünderer entmutigen.“

Seit Jahresanfang sind — je nach Quelle — 70.000 bis 107.000 Tonnen Lebensmittel nach Somalia gelangt, das meiste davon über das Rote Kreuz. Monatlich werden nach UNO-Angaben aber 40.000 Tonnen benötigt. US-Organisationen wie auch die UNO haben in jüngster Zeit erklärt, 1,5 bis 1,8 Millionen Somalis seien in den nächsten Monaten vom Hungertod bedroht. D.J.

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