Strauß wollte entführten Schleyer austauschen

■ Dannach verlangte er die Verhängung des Ausnahmezustands, um im Pinochet-Stil gegen die RAF vorzugehen

Berlin (taz) — Wäre es nach Franz Josef Strauß gegangen, hätte die RAF im Deutschen Herbst 1977 ihren größten Erfolg feiern können. Im Bonner Krisenstab, der aus Koalition und Opposition gebildeten Nebenregierung während der Entführung des Arbeitgeberpräsidenten Schleyer, verlangte der Bayer, was ansonsten in Schwierigkeiten geratenen Militärjunten als letztes Mittel vorbehalten bleibt: Der CSU-Vorsitzende schlug vor, die elf prominenten RAF-Gefangenen freizulassen, wie es das Entführungskommando „Siegfried Hausner“ verlangt hatte— und die Ausrufung des Ausnahmezustands in der Bundesrepublik für ein Jahr. Der Zeitraum, meinte Strauß, müsse ausreichen, dem RAF-Spuk ein endgültiges Ende zu setzen. Über dieses und andere Details der 44tägigen Entführungsaktion, die mit dem Sturm der GSG 9 auf die entführte Passagiermaschine „Landshut“ in Mogadischu und dem Tod der drei Gefangenen in Stammheim endete, plaudert der damalige Kanzleramtsminister Wischnewski jetzt im Magazin der SZ.

Der Bayer, sagt „Ben Wisch“, sei mit seinem Vorschlag „ganz alleine“ geblieben, selbst „seine eigenen Leute“ aus der CSU hätten ihn nicht unterstützt. Die Einführung der Todesstrafe oder etwa Sondergerichte für RAF-Mitglieder haben im Krisenstab „zu keiner Zeit“ zur Debatte gestanden. Doch er bekennt auch, wie dünn das Eis seinerzeit wohl war: „Ich weiß nicht, was passiert wäre, wenn diese neunzig Menschen im Flugzeug umgekommen wären.“

Wischnewski gesteht auch ein, daß die Selbstmordabsichten der Stammheimer Gefangenen dem Krisenstab nicht verborgen geblieben waren: „Es hat Informationen gegeben, daß solche Überlegungen bestehen. Aber eigentlich hat diese Information keine große Rolle gespielt. Von jemandem, der sich freipressen läßt... nehmen Sie nicht an, daß er gleichzeitig die Absicht hat, sich umzubringen.“ Daß die Gefangenen sich selbst das Leben nahmen, steht für den SPD- Politiker außer Zweifel. Andere, so räumt Wischnewski ein, sahen das allerdings ganz anders. Er zitiert den damaligen Botschafter in Tel Aviv, Schütz, zu dem Israelis gekommen seien, die ihm gratuliert hätten. „Habt ihr prima gemacht.“ Als Schütz erschrocken abgewehrt hätte, sagten sie nur, ja ja, sie wüßten schon Bescheid.

Als Helmut Schmidt die Krisenrunde seinerzeit um unkonventionelle Vorschläge anging, schlug „Ben Wisch“ vor, die Gefangenen nach Togo auszufliegen und sie dort nach der Freilassung Schleyers sofort wieder einzufangen. Dazu wollte der Minister eine Vorhut von 300 BKA- Häschern in den afrikanischen Staat schicken. Die Idee wurde schließlich verworfen: „Man hätte 300 Leute einweihen müssen. Das kann man nicht geheimhalten.“ gero