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Bilder aus vielen Wurzeln

Movimientos '92 zeigt eine Werkschau des brasilianischen Malers  ■ Carybé

In Brasilien kennt ihn fast jeder, er hat an der Ausstattung berühmter Filme und Opern mitgewirkt und in seiner Wahlheimat Salvador de Bahia ist er beinahe ein Volksheld. In Europa ist das Werk Hector Paride Bernabos, genannt Carybé, bisher nur bruchstückhaft beachtet worden. Das Sommertheater auf Kampnagel schafft mit einer Werkschau nun Abhilfe.

Deren Thema und Botschaft ist die „Americaniade“, Carybés Begriff für die südamerikanischen Länder und deren eigenständige kulturelle Identität, die sich aus den vielen Kulturen seiner Einwohner zusammensetzt. Der Maler selbst ist „multikultureller“ Herkunft: Als Sohn einer Brasilianerin und eines Italieners 1911 in Argentinien geboren, verbrachte er seine Kindheit in Genua, Rom und Rio, wo er mit 13 Jahren zu malen begann.

Den Beginn seiner Karriere markieren die Karnevalsausstattungen für große Hotels, die er als 18-jähriger zusammen mit seinem Bruder übernahm. Seit 1950 zieht ihn die Vitalität seiner Wahlheimat Salvador de Bahia in ihren Bann. Stärker als andere Städte ist Bahia von der afrobrasilianischen Tradition dominiert. „Jeder, der sich dort ansiedelt, ist nach zwei Generationen schwarz“, sagt Carybé. Ein wiederkehrendes Motiv seiner Bilder ist daher die Bahiana, die „große Mulattin“, die auf einem Bild der Ausstellung die ganze Stadt gebiert.

Carybé ist Mitglied der Glaubensgemeinschaft einer Candomblé-Priesterin. Die Götter, „Orixas“, dieser brasilianischen Form des Voodoo, verkörpern Naturge-

walten, haben aber Fehler und Schwächen wie Menschen. Logischerweise gibt es im Candomblé weder Himmel noch Hölle. „Candomblé bedeutet, keine Angst zu haben“, sagt Carybé. Zusammen mit dem Schriftsteller Jorge Amado und anderen Künstlern hat er in Bahia eine Art Institut gegründet, das die westafrikanischen Wurzeln des Candomblé erforscht. In der Ausstellung sind Carybés Bilder zu Candomblé-Ritualen zu sehen.

Die beeindruckendsten Gemälde Carybés sind seine frühen. Der Tod Alexandras entstand aus einer persönlichen Erschütterung heraus: Er hatte die junge, schwarze Frau gerade kennengelernt, als sie einen Tag später ermordet wurde. Auf dem Bild liegt sie mit der klaffenden Wunde auf der Erde, inmitten von Schaulustigen aller Hautfarben.

Auf Otto Dix oder George Grosz anspielend zeigt Carybé die Dekadenz der Unbeteiligten.

In seinen neuesten Arbeiten widmet er sich einfachen Alltagsszenen, die er in gewagten Farben und rhythmischen Pinselstrichen zu Leinwand bringt. „Ich fühle mich immer jünger, je älter ich werde“, erklärt er die kühne Farbigkeit. Arbeiten im öffentlichen Raum haben Carybé stets am meisten befriedigt. Anders als die großen südamerikanischen Wandmaler, wie Diego Ribera oder Jose Sequerros, verwahrt sich Carybé gegen politische Inhalte. „Ich will kein Feuer legen“, sagt er. Als Hommage an eine multikulturelle Gesellschaft hat Carybés Kunst aber aus sich selbst heraus eine politische Aussage. Julia Mummenhoff

Kampnagel K3, bis 5.9., 16-20 Uhr

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