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Trostlose Zeiten für Berufspolitiker

■ Auswahl und Entlohnungssystem der Hamburger Voll- und Teilzeitpolitiker erzwingen Filz, Frust und Mittelmaß / Belohnt werden Bravheit und Beharrlichkeit: selten mit Bürgerschaftsmandaten, oftmals...

: selten mit Bürgerschaftsmandaten, oftmals mit Versorgungsposten

Stellen Sie sich vor, Sie seien 28 Jahre, hätten eine gute Berufsausbildung, ein bißchen Berufserfahrung und spürten nun in sich die Berufung, Berufspolitikerin zu werden. Was tun? Wonach streben? Mal bei Voscherau nachfragen, ob er einen Henning-Staatsrätinnen- Posten frei hat? Bei der nächsten Bürgerschaftswahl selbst kandidieren?

Zwei, die es vor einem Jahr auf dem GAL-Ticket versuchten, haben jetzt das Handtuch geschmissen. Für den Bürgerschaftsabgeordneten Michael Pollmann war es attraktiver, sich wieder um Sondermüll in der Umweltbehörde zu kümmern, die GAL-Spitzenkandidatin Simone Dietz zieht Wissenschaft in Rostock dem beruflichen Volksvertreten in der Bürgerschaft vor. Das ist kein Zufall, lenkt den Blick auf die absurden und krummen Wege, auf denen sich normalerweise die Lebens- und Karriereplanung abspielt.

Grundübel 1: Die Zahl echter politischer Jobs ist eng begrenzt und schlecht bezahlt. Grundübel 2: Die Zahl von Politikern zu vergebender gutbezahlter Jobs ist gewaltig. Einstieg in die Politik bedeutet zunächst die Investition von schlecht oder gar nicht bezahlter Lebenszeit in die Parteien. Dort aber gibt es so gut wie keine Jobs. Die Parteiarbeit wird denn auch selten mit echten politischen Posten, sondern vor allem mit Filz- oder Handlangerjobs belohnt.

Eine absurde Situation: Selbst Hamburgs ParteiführerInnen arbeiten ehrenamtlich. Das erfordert besondere Maßnahmen: FDP-Chef Robert Vogel ist reich, nimmt sich die Zeit von seiner Firma, CDU- Chef Dirk Fischer bekam von seiner Partei ein Bundestagsmandat, der GAL-Landesvorstand arbeitet als ehrenamtliche Polit-AG, und die SPD-FührerInnen bekommen traditionsgemäß von ihren ArbeitgeberInnen besonders günstig frei: Ortwin Runde, der vorletzte, übte seinen Parteiführerjob von der Sozialbehörde aus, Nachfolgerin Traute Müller konnte sich als Chefin der SPD-Sozialgründung „Zebra“ die Zeit frei einteilen, nur der jetzige Parteichef Helmuth Frahm mußte als Lehrer echt frei nehmen, dafür, so rechnet ihm seine Partei vor, kassiert Lebensgenossin Rosemarie Raab schließlich ein SenatorInnen-Gehalt.

Aus der Optik der jeweiligen Parteibasis, des Politprofi-Nachwuchses, offenbart sich der politische Alltag als ein brutales Spiel um Jobs und Karriere unter mafiösen Aufstiegs- und Selektionsmechanismen. Besonders in der Hamburger SPD kann man durch brave Arbeit Versorgungsansprüche erwerben. Wer, politisch brav zum Wohlgefallen der Parteioberen, seine Arbeit ehrenamtlich tut, sich mit den Bezirksfürsten arrangiert, dem stehen viele Türen offen, im öffentlichen Dienst und öffentlichen Unternehmen, ja es winkt sogar das begehrte Bürgerschaftsticket, die enge Pforte ins politische Himmelreich. Gute alte Sozialfürsorge praktizierte der heutige Daimler- Benz-Repräsentant Alfons Pawelczyk, einst Hamburger Innensenator: In der Innenbehörde am Johanniswall konnte, so ein durchaus nicht scherzhaftes Ondit, in der Kantine die fast komplette Kreisdelegierten-Konferenz Wandsbek zum Appell antreten — der brave Pate

1hatte alle mit Jobs versorgt.

Für die SPD-Linken ist die Lebensplanung ein wenig bitterer, aber auch nicht hoffnungslos. Wenn man nicht, bescheiden bezahlt, in einem Abgeordnetenbüro als Referent oder Hilfskraft unterschlüpft, muß man auf magere Posten in Verwaltung und öffentlichen Unternehmen gieren. Wer hartnäckig bleibt, Anpassung und politisches Talent (Redefähigkeit, Durchsetzungsfähigkeit auf Distrikt- und Kreisebene) beweist, dem winkt Feineres. Fast immer findet sich eine SPD-Gründung, die eine GeschäftsführerIn braucht. So wurden die beiden fähigen und kompetenten Dauer-Polittalente Michael Sachs (Geschäftsführer einer der beiden städtischen Neue-Heimat- Auffanggesellschaften) und Walther Zuckerer (Geschäftsführer einer innovativen halbstaatlichen Mikroelektronik-Klitsche in Harburg) mit entsprechender Beförderung ruhig gestellt. Für diejenigen, die es bis in die echte politische Spitze, in Senat, Staatsräterunde etc. ge-

1schafft haben, wird beim Ausscheiden aus dem Amt in der Regel ein angenehmes soziales Netz geschaffen — ein gutdotierter Chefposten eines öffentlichen Unternehmens (von der Landesbank abwärts) gilt als standesgemäß.

Auch die CDU-Bürgerschaftsfraktion darf, in beschränktem Umfang freilich, an diesen öffentlichen Versorgungssegnungen teilhaben. Der Hamburger Diätenskandal hatte denn auch einen ganz anderen Kern, als zumeist in der Öffentlichkeit diskutiert. Es ging nicht so sehr um die jetzigen Bezüge der Abgeordneten, sondern vor allem um die Schaffung neuer Top-Jobs (Fraktionschefs, Stellvertreter, Parlamentspräsidentin) und die Rentenabsicherung für langgediente ParlamentarierInnen. Wie CDU- Jungabgeordneter Jürgen Warncke betont, hat der CDU-Nachwuchs sehnsüchtig auf die Diätenreform gehofft, damit der Generationswechsel in der CDU endlich beschleunigt werden könnte. Die Alten wollten eine ordentliche Rente, bevor sie freiwillig abtraten.

Für ihre wenigen Spitzenleute greift die CDU zu anderen Mitteln: Als der heutige Hamburger CDU- Bundestagsabgeordnete und Landesparteichef Dirk Fischer vor Jahren vor der Entscheidung stand, nun endgültig den Lebensweg des Berufspolitikers einzuschlagen, bot ihm sein väterlicher Freund und Karriereorganisator, der damalige Landeschef Jürgen Echternach, die Pro-forma-Anstellung auf der Gehaltsliste einer Hamburger Firma an. Wir kennen das Prinzip von Zweit-Liga-Fußballspielern. Sponsoring der bequemen Art, von der Steuer absetzbar und mit direkter Kontrolle des Angestellten durch seine Bosse verbunden. Dirk Fischer lehnte lächelnd ab. Diese Art der Abhängigkeit wollte er nicht. Er forderte und bekam ein Bundestagsmandat. Dies bot sowohl politische Macht und Standing als auch eine ordentliche finanzielle und soziale Absicherung. Von dieser sicheren Bastion aus startet der CDU-Aufsteiger derzeit seine Hamburger Karriere, wobei er noch nicht genau weiß, ob er sich wirklich mit der Bürde einer Bürgermeisterkandidatur belasten soll oder nicht doch darauf warten, daß sein Weggefährte Volker Rühe Bundeskanzler wird und ihn zumindest auf einen Staatssekretärsposten hievt.

Bei der FDP ist alles ganz einfach und ganz anders. Ein kleiner Klüngel gut verdienender Mittelständler und Professoren kegelt unter sich aus, wer jeweils dran darf. Bis auf Ex-Wirtschaftssenator Wilhelm Rahlfs, ein echter Sozialfall, der aus genau diesem Grund auch Senator werden durfte, kann man dann ganz schnell die Finger von der Politik lassen. Zweite Ausnahme ist der Bundestagsabgeordnete Rainer Funke, auch er auf das Politeinkommen angewiesen und deshalb ein verbissener Fighter um sein Bundestagsmandat. Die Freidemokraten bieten ansonsten Quereinsteigern gute Chancen bei geringem Aufwand.

Auch die GAL ist quereinsteigerfreundlich. Wie Thea Bock zeigt, einst für die GAL in Bürgerschaft und Bundestag, kann man diese Karriere sogar beim politischen Gegner fortsetzen — SPD- Stadtchef Voscherau spendierte der Moorburger Sportlehrerin ihren jetzigen Posten, das SPD-Bundestagsmandat, wofür er freilich den Wandsbeker Parteisoldaten Peter Zumkley zum Senator befördern mußte. Ansonsten bietet die GAL entlohnungsmäßig Magerkost, auch wenn die weitgehende Abtretung der niedrigen Bürgerschaftsdiäten und die Zwangsrotation der Vergangenheit angehören. Bei der GAL tummeln sich deshalb vorwiegend Akademiker, LehrerInnen zumeist. Wer es ganz nötig hat, wird mit einem der Referentenposten abgefunden. Der jetzige Rückzug von ihrem Großtalent Michael Pollmann aus der Bürgerschaft hat auch viel mit diesen Negativ-Bedingungen zu tun: Auch die heutige geschlossene, homogene und politfähige GAL ist nicht in der Lage, berufspolitische Perspektiven zu bieten.

Das Ergebnis ist bitter und ernüchternd: Während die Anforderungen an die Qualität und Professionalität von Politik ständig steigen, sinkt die Qualität des Politnachwuchses. Politische Tob-Jobs unterliegen einer Negativauslese. In der Bürgerschaft wimmelt es von gelangweilten öffentlichen Bediensteten, vor allem LehrerInnen, die ihrem grauen Alltag durch ein bißchen Politikspielen angenehm entfliehen. Ein anderer Teil der ParlamentarierInnen und ihrer Hilfskräfte dagegen hat sein Leben voll auf die Politik abgestellt. Da gilt der verzweifelte Kampf um Jobs, Seilschaften, Beziehungen, Belohnung, Bestrafung. Wer sich anguckt, wen dieses System an die Spitze gespült hat, kann nur bedauernd den Kopf schütteln: CDU- Fraktionschef Rolf Kruse, FDP- Gruftie Wilhelm Rahlfs, Notar Voscherau, Parlamentschefin Elisabeth Kiausch, SPD-Fraktionshäuptling Günter Elste oder die handgezüchteten SPD-Senatseigengewächse (Wolfgang Curilla, Peter Zumkley, Ortwin Runde, Werner Hackmann, Leonhard Hajen).

Als Henning Voscherau sich kürzlich beklagte, der Senat sei als Führungsorgan eines Unternehmens mit 16 Milliarden Mark Jahresumsatz hoffnungslos unterbezahlt, merkte ein Großunternehmer trocken an, Voscherau solle sich doch mal bei einem 16-Milliarden-Unternehmen für den Vorstandsvorsitz bewerben. Florian Marten

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