: Rathaus: Kröning ist ein Versager
■ Ausgerutscht oder rausgerutscht? Über die Kröning-Bemerkung zur CDU
Vordergründig ging es um die Bremen-Briefmarke, nebenbei um den Frust, den ewige Opposition einem ambitionierten Politiker wie Peter Kudella (CDU) bescheren kann, und in diesen Vordergrund hinein sprach Bremens Finanzsenator vor laufender Kamera: „Es kann passieren, daß dieser Frust schneller vorbei ist als man denkt.“ Der Journalist, der diesen Satz aufnahm, war von Kopf bis Fuß auf Briefmarke eingestellt und merkte den Sprengsatz nicht: Redet der Finanzsenator, der nach der verlorenen Wahl schon einmal eine Bemerkung über eine große Koalition so nicht gemeint hatte, die selbe schon wieder herbei? Ausgerechnet mit der CDU, die in Bremen noch nie hochgekommen ist? Oder gerade mit dieser CDU, weil neben Grünen und FDP die abgehalfterte SPD kein Profil gewinnen kann?
Kröning, am Tage danach, fühlt sich wieder mißverstanden. Er hat wieder nicht gemeint, was er gesagt hat, sondern nur etwas gesagt, was „ein Denkzettel für alle in der Koalition im weiteren und im engeren Sinne“ hätte sein wollen. Also sollten sie alle doch denken, was er gesagt hatte!
Im Rathaus hat man das Kröning-Wort zu der Briefmarke wohl gehört und im Druck gesehen. „Das war ein Scherz“, findet Wedemeier-Sprecher Sondergeld, „das muß ihm so rausgerutscht sein“. Dem Juristen Kröning, der so kalkuliert jedes Wort abwägt und nie ausrutscht, etwas herausgerutscht? Nun hat der Rathaus-Sprecher vorsichtshalber mit Kröning noch nicht geredet über diesen Satz, betreffend das möglicherweise schnelle Ende des Oppositions-Frustes der CDU. „Er wollte witzig sein“, versucht er eine zweite Deutung dessen, was Kröning zwar nicht gesagt hat, aber mutmaßlich hatte ausdrücken wollen, „ich kann mir nicht vorstellen, daß er das mit voller Absicht gesagt hat.“
Ein Politiker kennt das: Die Kamera läuft, die einmalige Gelegenheit, den Wähler direkt aus der Buten & Binnen-Glotze anzuglotzen und was rüberzubringen. Wo halte ich meine Hände, ohne steif zu wirken? Der Grünen-Sprecher Dieter Mützelburg kam am vergangenen Dienstag abend mit den Pfoten nicht von der Tischkante weg und traute sich weder in die Kamera zu gucken noch den Moderator von der Seite ins Auge zu fassen. Wie peinlich, wie steif! Was er gesagt hat, hat dann sowieso keiner mehr verstanden. Nur nicht wie Mützelburg wirken! Also locker sein, aber staatstragenden Ernst vorzeigen. Und dann kommen die mit einer Witznummer Briefmarke! Das Rathaus hatte zu wählen: Entweder mußte man auf die CDU-Anbiederung des Finanzsenator reagieren oder ihn zum „Versager-vor-der-Kamera“ erklären.
Der Rathaus-Sprecher zögerte keine Sekunde. Rosi Roland
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