piwik no script img

Senatoren-Sohn ging ins Telefon-Netz

■ Mitarbeiter von SPD-Fraktions-Chef Elste soll SPD-Landesvorständlerin mit nächtlichen Anrufen terrorisiert haben / "Ich wollte nur den Wohnort der Genossin überprüfen" / Juso-Intrigenspiel...

haben / „Ich wollte nur den Wohnort der Genossin überprüfen“ / Juso-Intrigenspiel in vollem Gange / Opfer verließ Juso-Vorstand

Der erbitterte Ideologie-Streit zwischen den verfeindeten Juso- Flügeln treibt immer neue Blüten. Das Juso-Vorstands-Mitglied Johannes Kahrs (28) soll anderthalb Jahre lang seine Parteigenossin Silke Dose (22) mit nächtlichen Droh- Anrufen terrorisiert haben.

Seit Anfang 1991 wurde die Sozialdemokratin, die für die Jusos in den Hamburger SPD-Landesvorstand gewählt wurde, nach eigenen Angaben regelmäßig aus dem Schlaf geklingelt. Mal legte der nächtliche Anrufer wieder auf, mal den Hörer neben die Gabel, so daß Silke Dose nur seinen Atem hören konnte. Gegenüber der Polizei gab Silke Dose später auch an, daß der nächtliche Störer sie mit Drohungen massiv belästigt habe. Daß dabei auch Sätze des Kalibers „Ich krieg Dich, Du Schlampe“, gefallen sind, will die SPD-Frau nicht dementieren.

Nach monatelangem Telefon- Terror beantragte sie im Frühjahr dieses Jahres bei der Telecom eine Fangschaltung. Ins Telefon-Netz ging Juso-Vorstandskollege Kahrs, als er Anfang Mai zwei Mal gegen drei Uhr nachts die Nummer der SPD-Linken wählte. Der dem rechten SPD-Flügel nahestehende Jura- Student arbeitet als Assistent von SPD-Fraktionschef Günter Elste in dessen Abgeordnetenbüro. Er stammt aus einer Bremer Politiker- Familie: Vater Wolfgang war zwischen 1971 und 1987 Justizsenator in Bremen, seine Mutter sitzt noch heute für die SPD in der Bremischen Bürgerschaft.

Kahrs selbst bestreitet die beiden Anrufe nicht. In einem an Silke Dose gerichteten Schreiben, das auf den 11.August datiert ist und das Kahrs auch dem Juso-Landesvorstand zukommen ließ, erklärt er der Adressatin: „Wie Du weißt, spielt der Wohnort in der Ordnung der Partei eine besondere Rolle. Wegen der anstehenden Juso-Wahl in Hamm hatte ich ein Interesse, über Deinen tatsächlichen Wohnort Kenntniss zu haben“. Kahrs kleinlaut: „Das Verfahren, das ich wählte, scheint mir heute nicht mehr akzeptabel“.

Mit dem vorangegangenen Telefon-Terror will Johannes Kahrs nichts zu tun haben. Warum er gleich zwei Mal des Nachts den Wohnort der Genossin überprüfte, dazu blieb der Juso-Promi allerdings bislang jede Antwort schuldig. Bei den beiden Fang-Telefonaten will Kahrs beide Male sofort wieder aufgelegt haben. Nach Informationen der taz aber erklärte Silke Dose der Polizei, daß es auch bei diesen Geprächen zu weiteren Drohungen gegen ihre Person gekommen sei. Die SPD-Politikerin stellte Strafantrag gegen Kahrs.

SPD-Chef Günter Elste stellt sich offiziell noch vor seinen Ziehsohn: „Es gibt keine Beweise gegen ihn“. Intern wurde Elste, nach Informationen aus SPD-Kreisen, aber deutlich: „Stimmen die Vorwürfe, kann ich Kahrs nicht halten“.

Volle Rückendeckung hingegen besitzt der Beschuldigte im rechten Juso-Mehrheitsflügel. Als im Landesvorstand Ende vergangener Woche darüber beraten wurde, ob Kahrs sein Vorstandsmandat bis zur gerichtlichen Klärung der Vorwürfe ruhen lassen muß, hielt die Mehrheitsfraktion ihn per Kampfabstimmung in Amt und Würden. Neun der vierzehn anwesenden Vorständler stimmten für Kahrs Verbleib. Draußen ist dafür vorläufig Silke Dose: „Ich habe dem Juso- Vorstand erklärt, daß ich unter diesen Bedingungen nicht mehr an den Sitzungen teilnehme“. Marco Carini

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen