: »Keine Sonderrechte für die Presse«
■ In zweiter Instanz muß sich ein Journalist verantworten, weil er sich angeblich der Polizei widersetzt hatte
„Ein Schlag gegen die Pressefreiheit!“ so kommentierten taz, Morgenpost sowie die Gewerkschaft IG Medien gleichermaßen, als Amtsrichter Dahm den Mopo-Reporter Frank Wieding im Dezember 1991 zu 1200 Mark Geldstraße ersatzweile 30 Tage Haft verurteilte, weil er bei einer Hausräumung im Karoviertel Anordnungen der Polizei nicht befolgt habe. Am kommenden Freitag rollt die Kleine Strafkammer 9 als Berufungsinstanz den Fall noch einmal auf. Prominente Polizeiführer und Vertreter der Innenbehörde werden in den Zeugenstand gebeten.
Der Vorfall ereignete sich am 14. Mai 1990. Damals setzte die Polizei zur Räumung der umkämpften — heute noch leerstehenden — LaMa-Häuser an. Zunächst wurden die Gebäude von Wasserwerfer unter Dauerbeschuß genommen, Farbbeutel prasselten auf die Ungetümer nieder. Zu diesem Zeitpunkt hatte der damalige Einsatzleiter Richard Peters nichts dagegen, daß eine Gruppe von vier Journalisten (Mopo, taz, RTL, NDR) die Auseinandersetzungen aus nächster Nähe in Bild und Ton festhielten. Erst als das „Mobile Einsatzkommando“ (MEK) zum Sturm ansetzte, forderte Peters plötzlich die Reporter auf, hinter eine Absperrung — weit ab vom Geschehen — zu gehen. Die Reporter würden die polizeilichen Maßnahmen behindern. Nachgeschobenes Argument: Die Polizei könne nicht für die Sicherheit der Journalisten garantieren.
Die Reporter weigerten sich, dieser Aufforderung nachzukommen, beriefen sich auf die Pressefreiheit. Zudem hatten sich in den Monaten zuvor mehrfach mit Peters schlechter Erfahrungen gemacht: So bei der versuchten SOG- Räumung mit martialischem Wasserwerfereinsatz an der Hafenstraße, als er die Reporter auf einen abseits gelegenen Balkon verbannen wollte. Oder bei einer Begehung der Häuserzeile, als Journalisten ebenfalls vom Ort des Geschehens abgedrängt werden sollten.
In der ersten Istanz vor dem Amtsgericht wollte die zuständige Amtsrichterin Strohmeier das Verfahren grundsätzlich aufrollen und hatte bereits namhafte Persönlichkeiten aus der Innenbehörde auf ihrer Zeugenliste. Ihr war nämlich zu Ohren gekommen, daß sich in Gesprächen mit den Betroffenen Innensenator Werner Hackmann für den „bedauerlichen Zischenfall“ entschuldigt hatte. Auch der Innenbehörden Referent Günter Krebs, damals vor Ort, hatte das Vorgehen des Direktionschefs als „unmöglich“ bezeichnet.
Doch einen Tag vor Prozeßbeginn wurde die zuständige Amtsrichterin vom Vorgesetzten, dem Amstrichter Nils Graue, abgelöst. Der Präsident des Amtsgericht später dazu: „Am Freitag teilte der Dezernatsleiter (...) Herr RiAG Graue mit, daß Frau Ri. Strohmeier, die zum damaligen Zeitpunkt gesundheitlich angeschlagen war, durch den starken Geschäftsanfall in ihrer Anbteilung überlastet sei und die Hauptverhandlung nicht am 25. 11. 1991 wahrnehmen könne.“ Graues Einschreiten ver-
1blüffte nicht: Denn der grauhaarige Richter hat bereits mehrfach in politisch motivierten Urteilen Menschen wegen Lappallien in den Knast gebracht, — die in der Regel vom Landgericht aufgehoben werden — und ist mittlerweile selbst der Justizbehörde wegen seiner Willkürjustiz ein Dorn im Auge. Graue hatte offensichtlich nach ei-
1nem taz-Bericht die Brinsanz des Verfahren erkannt und fühlte sich zum Handel motiviert. Statt Richterin Strohmeier, die an jenem Verhandlungstag brav ihren Dienst leistete, überlies Graue Nachwuchsrichter Dahm den Prozeß, der auch prompt im Eilverfahren alle Beweisanträge der Verteidigung ablehnte. Peter Müller
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