piwik no script img

BUMM BUMM AUF DEM BALKAN Von Mathias Bröckers

Warum, verdammt nochmal, ist es eigentlich nicht möglich, dem jugoslawischen Hütchenspielerkrieg den Saft abzudrehen? Dauernd ist von militärischem Eingreifen die Rede, wildgewordene CDU- Abgeordnete, FAZ-Herausgeber und der Papst persönlich gebärden sich als Blitzkriegstrategen, und George Bush könnte am Ende noch auf die Idee kommen, den Specknacken Schwartzkopf als Wahlhelfer zu reaktivieren um Bumm Bumm zu machen auf dem Balkan — ohne daß die entscheidende Frage auch nur gestellt wird: Woher kommt das Benzin, das die serbischen Panzer rollen läßt, woher kommen Waffen und Munition, Kriegsgerät und Ersatzteile? War das ehemalige Jugoslawien ein derartiges Rohstoff- und Rüstungs-Eldorado, daß es ohne ausländische Zulieferungen jahrelang Krieg führen kann? Nein? Ja wo kommen sie denn her, die Mörser und Granaten, das Kerosin für die Flugzeuge, die Radargeräte und Computer?

Es ist die westliche „zivilisierte“ Welt, die das Gemetzel auf dem Balkan einerseits lauthals beklagt, andererseits aber offenbar dafür sorgt, daß der Handel und Wandel mit den kriegführenden Parteien unter der Hand unbehelligt weiterläuft. Während des sechswöchigen Einsatzes in der Adria hat der Zerstörer „Bayern“ sage und schreibe vier potentiell verdächtige Schiffe gesichtet und an die Einsatzleitung der Seeblockade weitergemeldet. Nicht daß die tapfere Bundesmarine einfach weggeguckt hätte, nein nein, es war einfach nicht mehr los vor der Küste. Zu Lande freilich ging das Morden und Schlachten unbehelligt weiter. Selbst der strategische Laie muß daraus pfeilschnell schließen, daß die Versorgung der Truppen auf dem Landwege erfolgt — die Experten freilich scheinen von dieser simplen Logik gänzlich unberührt. Wie sonst könnte es kommen, daß Hinz und Kunz mit erigiertem Federhalter oder Zeigefinger „Militäreinsätze“ fordern, die einfachste und naheliegendste Lösung aber — das Kriegsgebiet von der Außenwelt zu isolieren — überhaupt nicht zur Debatte steht. Sind Uno, Nato und EG, sind General Motors, Daimler-Benz & Co. mit vereinten Kräften nicht in der Lage, lächerliche 400 Kilometer Grenze zu überwachen und für Waffen und Rohstofflieferungen dicht zu machen? Wozu werden Jahr für Jahr Milliarden für Satelliten, Aufklärungs-Jets, und High-Tech-Militärspielzeug verpulvert? Um sich als Antwort auf diese Frage Karl-May- mäßiges Gefasel vom unwegsamen Hinterland in den Schluchten des Balkans anhören zu müssen? Es geht nicht darum, Partisanen und Heckenschützen zu jagen, es geht einfach darum, ihnen die Versorgung abzuschneiden, indem man sämtliche Zufahrtswege blockiert. Warum ist, was jede Lkw-Fahrer-Gewerkschaft mit Leichtigkeit schafft, der hochgerüsteten internationalen Staatengemeinschaft unmöglich? Sollte es etwa damit zu tun haben, daß auch dieser Krieg seine Profiteure hat und außer Renditen auch Arbeitsplätze sichern hilft? Die Frage nach den Lieferanten des Terrors, die im Golfkrieg noch eine so große Rolle spielte, wurde in den Hunderten Kriegsberichten vom Balkan jedenfalls noch kein einziges mal gestellt. Statt dessen wird eine unabwendbare, schicksalhafte Tragik beschworen, der nur durch ein finales Bombardement abzuhelfen sei — ein Drehbuch aus der Talentwerkstatt der internationalen Rüstungsindustrie.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen