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Sinnvolle Laufleistungen

Die Kammeroper Schloß Rheinsberg bietet eine gute Akustik, einen schönen Ort und so manche inszenatorische und musikalische Ungereimtheit  ■ Von Irene Tüngler

Zum zweiten Mal „Kammeroper Schloß Rheinsberg“, und schon ein Medien- und Mode-Ereignis. Die angereiste Journalistenschar bedient Deutschland flächendeckend, die Autos der Besucher sind breiter als die Straßen des Städtchens, IBM Deutschland sitzt in der ersten Reihe am Seeufer. Man muß es Siegfried Matthus lassen, er verkauft seine Sache mit Geschick. Heimatliche Verbundenheit, ein Blick für theatralische Möglichkeiten und ein Gespür dafür, daß gerade jener historisch (Friedrich), architektonisch (Knobelsdorff) und literarisch (Tucholsky) interessante Ort anziehender sein würde als ein Dutzend anderer schöner Plätze in der verträumten Mark, bestimmten die Wahl. Der Komponist installierte in Rheinsberg eine Meisterklasse für junge Sänger zwischen Studium und Engagement, mit dem Ziel, am Ende des fünfwöchigen Kurses eine Kammeroper des 20. und eine aus einem früheren Jahrhundert aufzuführen. Die zum Land Brandenburg gehörige Musikakademie Rheinsberg spielt den Gastgeber.

Als Werk der gemäßigten Moderne ist dieses Mal Benjamin Brittens „Sommernachtstraum“ auserkoren worden. Spielort war ein endloser Laufsteg von den Treppen des Schloßhofes bis zum Ufer des Sees. Man bewegte sich gewissermaßen eindimensional. Und verschenkte Möglichkeiten des Stückes. Aber ich will nicht meckern, es laserte grün, kleine Fackeln hoben sich in den Abendhimmel, und der wirkliche junge Mond stand über dem Park, ganz wie Shakespeare sich's gedacht hat. Nur eines hätte ihm vermutlich Rätsel aufgegeben: Warum kam Oberon mit dem Motorrad? Warum nicht Puck, der auf Liebesblümleinsuche den Erdball zu umkreisen hat, nicht Demetrius oder Lysander, neuzeitlich nette junge Männer oder wenigstens Peter Squenz, Chef bei den in Kunst dilettierenden Handwerkern — nein Oberon, der König der Naturgeister, rollte per Technik. Und wenn schon, warum bretterte er nicht los, sondern ließ sich — die Maschine gleichsam wiehernd aufgebockt — von zwei schwarzvermummten Gestalten mühsam schieben; gemächlich wie ein Mannequin auf dem Laufsteg? Vielleicht hätte der Dichter sich auch nicht gewundert. Wer weiß, wie Werbung damals funktionierte.

Daß man den Extrakt des erotischen Blümchens auf einem Löffel erhitzt, auf eine Mehrwegspritze zieht und gleich einem halben Dutzend Personen verabreicht, hieß für mich schlicht, mit Entsetzen Scherz zu treiben. Möglicherweise fehlt mir aber nur der rechte Humor für diesen sommernachtsverträumten Regieeinfall von Goldelsenspektakelinszenator Winfried Bauernfeind und Ausstatter Martin Rupprecht.

Sei es drum, diese kurzen Squenzen ließen sich vergessen. Der Ort ist einfach zu schön, die Abendstunde und die jungen Sänger zu erfrischend, und — es wurde gut gesungen. Dank erstaunlich guter Tontechnik mußte keiner der jungen Sänger brüllen, und zwei Co-Dirigenten neben dem entscheidenden musikalischen Leiter der Brandenburgischen Philharmonie Potsdam, Stefan Sanderling, hielten die Hundert-Meter- Distanz musikalisch zusammen. Ganz eigentümlich schwebend im Gesang, hermaphroditisch schlank von Gestalt, gab der hohe Countertenor Alexander Plust den liebeskranken Oberon, mehr von Besitzgier auf den melancholisch lautespielenden Edelknaben ergriffen, als eifersüchtig auf Titania. Elisabeth Hellstörm war auch wenig anziehend herausgeputzt, aber sie glänzte mit ihrer Gesangsleistung.

Ganz ungetrübt war die Erheiterung eine Woche später. Auch diesmal hatten Regisseur Götz Fischer und seine Ausstatter, Pyrotechniker und Beleuchter nichts unversucht gelassen, das Publikum gehörig zu amüsieren. Und siehe, jeder Witz und jedes Bengalfeuer, Donner und Blitz machten Sinn. Um so verwunderlicher, daß dies bei zwei ziemlich harmlosen Einaktern des Ritters Gluck so gut funktionierte. Im Heckentheater des Parks, angelegt von Friedrichs Bruder Heinrich, war die dezente Elektroakustik noch besser als am Ufer des Sees. Sechs junge Frauen und ein Tenor konnten stimmlich strahlen, wo immer auf der 30 Meter tiefen Bühne sie sich gerade befanden (beachtliche, aber stets sinnvolle Laufleistung!).

Die Chinesinnen, an einem lauen Sommerabend auf Schloß Rheinsberg versammelt, sind eigentlich drei adelige Damen, die sich fremdländisch geben, sich trotzdem langweilen und überlegen, wie dem zu begegnen sei. Sie kommen auf die Idee, Theater zu spielen, und singen eine tragische, eine pastorale und eine komische Szene. Wer die beste und schönste war, soll Silango entscheiden, der der Bruder der einen, der Verflossene der zweiten und der Bewerber der dritten, der schäferspielenden, ist. Das reicht schon für einen schäfchenwölkchenleichten Spaß mit running gag, bei dem ich nicht verstand, warum sich ein Jugendorchester so oft vertun mußte. Das zweite Werk liest sich noch unbedarfter. Drei Prinzessinnen streiten sich, welche mit auf die Jagd darf. Eine verwundet schließlich den bösen, bösen kalydonischen Eber. Der Prinz erlegt das Tier, aber hat er wirklich den Lorbeerkranz verdient?

Meiner Ansicht nach der Eber, denn der streckt erstmal mit wollüsstigem Stöhnen die drei Damen nieder.

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