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Armeniens Präsident in Bedrängnis

Opposition fordert Rücktritt Ter-Petrossjans/ Unzufriedenheit in der Berg-Karabach-Frage wächst  ■ Aus Moskau K.-H. Donath

Lange Zeit galt der ehemalige Dissident Lewon Ter-Petrossjan als unangefochtener Politiker in der von Nationalitätenkonflikten zerfurchten Kaukasus-Region. Noch vor einem Jahr wurde er von der überwältigenden Mehrheit zum Präsidenten gewählt. Kein armenischer Kandidat konnte ihm auch nur annähernd das Wasser reichen. Doch das Blatt hat sich gewendet: Seit vergangener Woche ist Petrossjan mit einer stetig steigenden Protestwelle konfrontiert. Allein auf Jerewans Freiheitsplatz versammelten sich am Wochenende Tausende und verlangten lautstark seinen Rücktritt.

Die Initiatoren der Protestkundgebung sind Mitglieder des „Nationalen Bundes“, eines oppositionellen Blocks im armenischen Parlament aus sieben unterschiedlichen Gruppierungen. Mit zunehmendem Druck auf Armenien seitens Aserbaidschans, um die Enklave Nagorny-Karabach, spitzt sich auch die innenpolitische Lage in Jerewan zu. Denn in letzter Zeit hatte Armenien starke Verluste hinzunehmen. Mehrfach waren aserische Truppen weit auf armenisches Territorium vorgedrungen. Opposition und Volkes Stimme ereiferten sich daraufhin über ihren Präsidenten, der in der Karabach-Frage nicht entschlossen genug sei. Sie verlangen die Absicherung der armenischen Grenze und die Zusage, Karabach wenn nötig auch militärisch helfen zu dürfen.

Trotz der immer lauter werdenden Kritik denkt Petrossjan offensichtlich nicht an einen Rücktritt. Gestern rief er statt dessen die Parlamentarier zu einer außerordentlichen Sitzung aus ihren Ferien zurück. Einziger Tagesordnungspunkt: ein Referendum über den Verbleib des Präsidenten im Amt. Um den Posten des Präsidenten ganz abzuschaffen, wie es einige Oppositionelle verlangen, wäre eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Doch dazu besteht wenig Aussicht. Offenkundig vermengt sich die Unzufriedenheit über die Karabach-Frage mit den zunehmenden sozialen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Land. Zwar gestand der Vizepräsident Fehler, die im Rahmen des Reformprogramms begangen wurden. Gleichzeitig konstatierte er, wie wenig vorbereitet Armenien für den Übergang zur Marktwirtschaft sei.

Auch die unübersehbare Wandlung Petrossjans, als Kopf der „Armenischen Nationalen Bewegung“, stößt auf Unmut. Anfangs befürwortete er im „Karabach-Komitee“ einen Anschluß der Exklave an das Mutterland. Als Präsident war er dann aber um Ausgleich mit der aserischen Seite bemüht. Selbst beim Erzfeind Türkei versuchte er es mit Versöhnung — was in dem Verzicht auf eine Annexion Karabachs deutlich wird. Ein weiterer Faktor, mit dem man in Jerewan nicht ernsthaft genug gerechnet hat, ist die Partei Daschnak. Mit Hauptquartier in Athen wird sie hauptsächlich von der wohlhabenden armenischen Diaspora finanziert. Ihre Linie: eine kompromißlose Haltung in Karabach gegenüber Aserbaidschan. Ihr Ziel: die Wiedererrichtung Großarmeniens. Mit einer solchen Haltung kann man die Kaukasus-Region zwar nur in ein Pulverfaß verwandeln. Doch die Partei versteht es, Emotionen von Bedrängten auszunutzen. Viele der ehemaligen Kommunisten sind bereits zur Daschnak übergelaufen. Ein Appell Petrossjans an Rußland, die GUS-Staaten mögen in Übereinkunft mit dem gegenseitigen Beistandspakt Armenien zur Hilfe eilen, wurde von der Opposition ebenfalls zurückgewiesen.

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