Lauter platzende Seifenblasen

■ Die mit Spannung erwartete Premiere der argentinischen Organisation Negra bei Movimientos '92, dem diesjährigen Sommertheater auf Kampnagel, enttäuschte mit oberflächlichen Bildern und nackten Stilleben

bei Movimientos '92, dem diesjährigen Sommertheater auf Kampnagel, enttäuschte mit oberflächlichen Bildern und nackten Stilleben

Sie galten als der Geheimtip des Festivals und ihre Vorstellungen waren im vorhinein so ausverkauft, daß eine zusätzliche Nachtvorstellung am Mittwoch ins Programm genommen werden mußte. Doch wer bei der Performance der laut Programm „radikalsten Gruppe der neuen Theaterszene Lateinamerikas“ La Organizacion Negra Bedrohliches, Erleuchtendes, Gewalttätiges oder gar Innovatives erwartet hatte, sah sich getäuscht. Oberflächliche Bildersprache und nett inszenierte Nacktheit mögen dem Festivalsponsor Philip Morris Inspirationen für den nächsten Rattenfang geliefert haben; von Radikalität aber keine Spur.

Überhaupt erinnerten Bühnenbild und Choreografie im ersten Teil mit dem Titel Almas Examinadas eher an zivilisationskranken Kunstzwang, als an radikales Theater, das Grenzen überschreitet und nach den geheimen Gründen der Seele sucht. Ein Bett und eine überdimensionierte Uhr aus Chromblech im Stil der Post-Ikea- Generation, lustige und putzige Utensilien, wie ein Leuchtturm oder eine Torte, die ferngesteuert über die Bühne fuhren und hüpfende Feuerwehrleute boten zwar Anlaß zum Schmunzeln. Nach einer Dreiviertelstunde derartiger Effekthascherei blieb aber nur noch ein Schulterzucken übrig.

Die Geschichte, bestehend aus surrealen Traumbildern eines Mannes, verdichtete sich nie zu einem packenden Eindruck, sondern lieferte nur lauter platzende Seifenblasen, die keinerlei Fragen provozierten. Ob nun der Arm des Träumenden am Zeiger der Uhr hängen blieb, aus seinem Bett eine Himmelsleiter wuchs oder die Feuerwehrleute ihn mit einer Axt verfolgten - es entwickelte sich keinerlei Dramatik, kein Bild folgte schlüssig dem anderen oder ließ auch nur vermuten, man müsse etwas Hintergründiges darin vermuten.

Der zweite Teil, Argumentum Ornithologicum, laut der Theatergruppe „ein in sich gekehrtes Bild, das auf eine abstrakte Idee verweist: die Wahrheit“, bestand aus artistischen Stilleben nackter Männer, die als Bildband ganz appetitlich wirken könnten, als Theater aber überhaupt keinen Sinn ergaben. Als sie am Ende zu einer Gottesfrage von Borges Bücher aßen, war auch die Geduld verbraucht, sich stumpfe Pseudoradikalismen zu betrachten.

Dabei galt die Gruppe eigentlich

als Vertreter einer „accionas directas“ genannten Richtung des argentinischen Theaters, die mit spektakulärem Straßentheater bis zu 30000 Leute begeisterte und ähn-

lich wie Fura Dels Baus mit körperlicher Direktheit arbeitete. Doch vielleicht ist ihnen der Wechsel in den Bühnenraum nicht bekommen und mit neuen finanziellen Möglich-

keiten scheint die Gruppe sich fürs Bilderbuch-Theater entschieden zu haben. Till Briegleb

Noch bis 20.8., jeweils 20 Uhr, heute auch 22.30 Uhr