Eher Pilze als Pulver

■ Waltari, Monster Magnet und Union Carbide Productions kommen ins Huxley

Retro-Rock ist das neue Zauberwort in allen A&R-Abteilungen dieser Welt. Ein prima Etikett, mit dem sich diesen Sommer scheinbar alles verkaufen läßt — von der schlechten Led-Zeppelin-Kopie bis zum dilettantischen Stones-Abklatsch. Gibt es nichts Spannenderes, als auf zugegeben brillante, aber ohnehin nicht mehr zu übertreffende Rockgrößen der Siebziger zurückzugreifen? Mich langweilt das zu Tode, ich will Neues hören — oder wenigstens Altes so verfremdet, daß es schon wieder neu ist.

Eine der wenigen Bands, denen zumindest das gelingt, sind »Monster Magnet« aus god-knows-where, USA. Bisher unbemerkt von großen Plattenfirmen, legten die magnetischen Vier mit »Spine Of God« ein Album vor, daß dem lieben Gott, wie wir ihn kennen, sicher das Rückgrat brechen würde. Knochenhart indeed und dazu seltsamst angereichert mit allerlei verwirrenden Substanzen, eher Pilze als Pulver: »It's a Satanic drug thing you wouldn't understand«, so steht es geschrieben auf dem Cover, und so fühlt es sich an — nichts für klare Köpfe. Schon auf Platte zerren die ausufernden, zugleich trägen und fordernden Songgebilde heftig an den Nerven — live wird man als Zuschauer zum hypnotisierten Kaninchen on acid, das wie gebannt auf die von blubbernden Flüssigdias übergossenen Musiker starrt und seinen Ohren nicht mehr traut. So oder ähnlich hätte eine Session von Black Sabbath und Led Zeppelin klingen können nach einer Woche gemeinsamen exzessiven Tripschmeißens, Saufens, Rauchens und Pilzeessens.

Monster Magnet allein wären schon mehr, als man gemeinhin an einem Abend verkraften kann, aber on top of them und den finnischen »Waltari« erwartet uns heute im Huxley's auch noch die einzige Band der Welt, die ungestraft als die Neunziger-Inkarnation der »Stooges« bezeichnet werden darf: »Union Carbide Productions« (UCP). Bereits 1987, kurz nach Erscheinen ihres Debüt-Albums »In the Air Tonight« (Lichtjahre entfernt von Phil Collins, zu Hause in einem Universum, daß dieser nicht mal vom Hörensagen kennt), bereits 1987 also verwandelten Union Carbide Productions das Publikum im KOB in einen schwitzenden, nicht aufhören wollenden, glücklich grinsenden Haufen. Daß die gesamte Band am Ende splitternackt auf der winzigen Bühne stand und die Gitarren dröhnen ließ, war Resultat echter Ekstase. Jeder hat dort gespürt oder geahnt, daß Hard- Rock nicht tot sein kann, solange diese Band around ist. Energieströme und geballte Gitarrenkraft schießen nur so von der Bühne, wenn die fünf Schweden sich die Seele aus dem Leib spielen — und bei Iggy, das tun sie! Auf ihrem letzten Album »From Influence To Ignorance« entführen UCP sogar melancholisch- melodisch in das »Golden Age« und landeten damit auf dem Platz 1 meiner Balladen-Jahres-Chart 1991. Ihrem ungestümen Spieltrieb tun diese Ausflüge in ruhigere musikalische Gefilde keinen Abbruch — und wer weiß, vielleicht sind ihre neuen, gerade in Chicago mit Steve Albini (!!!) produzierten Tracks ja ohnehin wieder raw es ever. Birgit Herdlitschke

Heute ab 20.30 Uhr im Huxley's, Hasenheide 108/114, Kreuzberg