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Drei Staatssekretäre riskierten Millionen

■ Berlin drohen Hunderte von Millionen Mark an Verlust, weil die Reichsbahn Vereinbarung nicht anerkennt/ Staatssekretäre wollten »Rückabwicklung«

Berlin. Dem Land Berlin drohen Hunderte von Millionen Mark an Verlusten, weil die Reichsbahn die 1989 abgeschlossene Rahmenvereinbarung nebst den dazugehörigen Protokollnotizen nicht mehr anerkennen will. Schlimmer noch: die Staatssekretäre Wolfgang Branoner (CDU) für Stadtentwicklung, Ingo Schmitt (CDU) für Verkehr und Werner Heubaum (SPD) für Finanzen wollten sogar die »Rückabwicklung« der Vereinbarung nebst Protokollnotizen vorbereiten, wie es in einem Vermerk der Senatsverkehrsverwaltung heißt, der der taz vorliegt. Bausenator Nagel verhinderte dieses Vorhaben, das nicht der Interessenlage des Landes Berlins entspreche, heißt es in einem Protokoll der Senatssitzung vom 21. Juli.

Das Land Berlin schloß im Januar 1989, vor der Maueröffnung, eine Rahmenvereinbarung mit der damals noch DDR-eigenen Reichsbahn. Die Details dieser Vereinbarung wurden in zunächst zwei Protokollnotizen festgehalten, weitere Protokollnotizen sollten folgen. Nach den beiden ersten Notizen sollte Berlin insgesamt 110 Millionen Mark in Reichsbahnanlagen investieren, vor allem in den Hamburger und Lehrter Güterbahnhof und den Bau der Eisenbahnbrücken am Sachsendamm. Im Tausch dafür sollte Berlin eine Reihe von Reichsbahnflächen erhalten, etwa das Moabiter Werder, große Teile des Gleisdreiecks und den ehemaligen Görlitzer Bahnhof. Während Berlin bisher schon knapp 50 Millionen Mark investierte, beschränkten sich die Gegenleistungen der Reichsbahn darauf, dem Land die Flächen des ehemaligen Anhalter Personenbahnhofs und des Museums für Verkehr und Technik zu geben. Es hätten aber schon bei der Vertragsunterzeichnung weitere 18 Hektar des Potsdamer und des Anhalter Güterbahnhofs und das 24 Hektar große Moabiter Werder an das Land Berlin gehen müssen.

Das scheiterte damals, so der Sprecher des Finanzsenators Steffen Kammradt, an den Alliierten, die dem Tausch nicht sofort zustimmen wollten. Und seit dem Mauerfall ziert sich die Reichsbahn. Denn die nunmehr innerstädtischen Grundstücke sind plötzlich viel mehr wert. Der ein oder andere Teil des Gleisdreiecks ließe sich, spekuliert man bei der Reichsbahn, gewinnbringend als Gewerbestandort vermarkten. Und alleine der rund sechs Hektar große Teil des Moabiter Werders, auf dem 1.200 Bundeswohnungen gebaut werden, war nach den Bodenrichtwerten des Senats Ende 1990 knapp 130 Millionen Mark wert.

Kein Wunder, daß auch das Bundesbauministerium, das die Bundeswohnungen am Moabiter Werder beauftragt, einen begehrlichen Blick auf das citynahe Gelände geworfen hat: Die Rahmenvereinbarung sei mit der Wiedervereinigung nichtig geworden, so dessen Sprecher Robert Scholz vorige Woche. Demnach gehöre das Gelände der Reichsbahn und damit dem Bund.

Pech nur für die Reichsbahn, daß ein Brief des Bundesverkehrsministers an die Senatskanzlei vom August 1990 — also nach dem Fall der Mauer — bestätigte, daß zwar die Rahmenvereinbarung nicht weiter ausgearbeitet werde, die beiden Protokollnotizen jedoch noch rechtsgültig sind — was kürzlich auch die Senatskanzlei bestätigte. Um so unverständlicher, daß die besagte Staatssekretärsrunde noch vor wenigen Wochen freiwillig den Reichsbahnwünschen nachgeben und die Protokollnotizen rückabwickeln wollte. Eva Schweitzer

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