: Vorgeschobene Beweisnot
■ Der deutsche Beitrag zum Embargo gegen Rumpfjugoslawien
Vorgeschobene Beweisnot Der deutsche Beitrag zum Embargo gegen Rumpfjugoslawien
Zu den Politikern, die am nachdrücklichsten, ja geradezu emphatisch die strikte Einhaltung des UNO-Embargos gegen Restjugoslawien forderten, gehörte Außenminister Klaus Kinkel. Deutsches Engagement sei hier um so mehr geboten, als eine Beteiligung der Bundeswehr an Blauhelm-Aktionen gegenwärtig an der „Verfassungslage“ scheitere. Kinkel, der im Gegensatz zu seinem Amtsvorgänger aus seinem Herzen keine Mördergrube macht und den Stil der „neuen Offenheit“ praktiziert, hat auch keine Schwierigkeiten, auf die mutmaßlichen Embargobrecher zu zeigen. Er nennt, um die Bonner Lieblingsmetapher zu verwenden, Roß und Reiter beim Namen: Rußland, Griechenland, Mazedonien und Rumänien als Lieferanten bzw. Transitländer für den strategisch unverzichtbaren Rohstoff Öl. Aber leider, leider fehlten dem gelernten Juristen Kinkel bislang die Beweise — und die Außenminister der unter Verdacht stehenden Staaten, von ihm gänzlich undiplomatisch angesprochen, haben ihm versichert, auch ihnen lägen keine Beweise für die Verletzung der UNO-Beschlüsse vor. Seltsame Auskunftspersonen!
Sollte den Beamten des Auswärtigen Amtes oder den von ihnen bemühten Geheimdiensten tatsächlich entgangen sein, worüber sich Journalisten und Experten — unter Nennung von Firmennamen und Verbindungswegen — seit Wochen in den Zeitungen Europas verbreiten? Das reicht nicht aus für die Begründung eines Anfangsverdachts? Würde es der deutschen Politik wirklich um die Durchsetzung des Embargos gehen, sie hätte sich nicht an dem uneffektiven, aber für künftige deutsche Militäreinsätze symbolisch aufgeladenen Flottenaufmarsch an der Adria beteiligt. Statt dessen hätte sie darauf gedrängt, an der Donaugrenze zwischen Rumänien und Serbien sowie an den Bahn- und Straßenübergängen zwischen Mazedonien und Serbien UNO-Beobachter zu stationieren. Ein solcher Vorschlag wäre von der Embargo-Resolution des Sicherheitsrats gedeckt gewesen, und keiner der betroffenen Staaten hätte einen Ausweg gefunden, sich ihm zu widersetzen.
Untätig in der entscheidenden Frage verwickeln sich die deutschen Diplomaten bei der EG in Brüssel in einen Kleinkrieg an einer Nebenfront. Sie bringen den Vorschlag der EG-Kommission zu Fall, der sicherstellen wollte, daß Lieferungen an die Nachfolgestaaten Jugoslawiens tatsächlich dort landen und nicht nach Serbien weitergehen. Der bürokratische Aufwand sei, gemessen am Ergebnis, zu hoch. Mag sein, daß nicht nur die Sorge um den reibungslosen deutschen Export nach Kroatien oder Slowenien die Haltung der deutschen Beamten bestimmte, sondern tatsächlich der Wunsch nach Effektivität. Wenn dem aber so ist, warum dann nicht zu effektiven Mitteln greifen, zum Beispiel dem der Grenzüberwachung? Christian Semler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen