: Führungsoffiziere sollen aussagen
■ Landesarbeitsgericht vertagt Prozeß um die Kündigung des ehemaligen Humboldt-Rektors Heinrich Fink auf November/ Richter der zweiten Instanz deutet Neubewertung der Gauck-Auskünfte an
Berlin. Überraschung gestern im Verfahren um die Kündigung des ehemaligen Rektors der Humboldt- Universität, Heinrich Fink: Das Landesarbeitsgericht verschob die Verhandlung auf Anfang November. Aller Voraussicht nach werden dann mindestens sechs ehemalige Stasi-Führungsoffiziere als Zeugen geladen, darunter auch der letzte Leiter der für Kirchenfragen zuständigen Hauptabteilung, Joachim Wiegand. Sie sollen darüber aussagen, ob Fink als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) unter dem Decknamen »Heiner« für die Stasi tätig gewesen ist. Fink bestreitet, jemals wissentlich der Stasi zugearbeitet zu haben. Dem Theologen war im vergangenen Jahr von Wissenschaftssenator Erhardt als Rektor und Hochschulprofessor der Humboldt-Universität wegen des Vorwurfs der Stasi-Mitarbeit fristlos gekündigt worden. Im April hatte das Arbeitsgericht in erster Instanz seine Kündigung als Hochschullehrer für unwirksam erklärt. Fink lehrt seitdem wieder am Fachbreich Theologie. Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts war Erhardt sofort in Berufung gegangen. In zweiter Instanz muß nun das Landesarbeitsgericht (LAG) entscheiden. In der gestrigen Verhandlung betonte der Vorsitzende Richter Bernd Preis, daß neben den Akten der Gauck- Behörde auch die Aktenführer selbst zur Beweisführung herangezogen werden müßten. In der Bewertung der Auskünfte der Gauck-Behörde hob sich Preis in seiner ersten Stellungnahme deutlich vom Urteil der ersten Instanz ab. Das Arbeitsgericht hatte im April die Akten der Gauck- Behörde lediglich als »Indizien«, nicht jedoch als »Beweise« für eine Stasi-Mitarbeit von Fink gewertet. Preis betonte, das Gericht neige der Auffassung zu, daß die Auskünfte der Gauck-Behörde nicht nur rein »deskriptive Mitteilungen«, sondern auch »wertende Auffassungen« sein können. Bloße Mitteilungen, so Preis, seien für die anfragende Behörde — in diesem Fall dem Wissenschaftssenat — »wertlos«. Der Stellenwert einzelner Unterlagen könne nur durch »profundes Erfahrungswissen« eingeordnet werden.
Die Auskünfte der Gauck-Behörde verglich Preis inhaltlich mit »dem Charakter eines Sachverständigen-Gutachtens«. Wie in jedem Verfahren sei eine amtliche Auskunft nicht bindend für das Gericht, sondern »lediglich ein Beweismittel, das einer eigenständigen Beweisführung durch das Gericht unterliegt«. Der Rechtsvertreter des Senats, Thomas Kunze, begrüßte die Auffassung des LAG.
Im letzten Urteil seien die Auskünfte der Gauck-Behörde »beispiellos herabgewertet« worden. Kunze äußerte seine Skepsis gegenüber der anstehenden Zeugenbefragung. Es habe sich gezeigt, daß die Stasi-Offiziere auch heute noch schützend vor ihre einstigen Schützlinge treten würden. Severin Weiland
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