piwik no script img

Kalt wie erloschene Vulkane

■ „Die wahre Geschichte von Männern und Frauen“: äußerst banal

Robert van Ackeren interessiert sich auch diesmal für den gesellschaftlichen Status quo. „Die wahre Geschichte von Männern und Frauen“ inszeniert die Bundesrepublik Deutschland privat als Spielfilm, der den Stand der Dinge an der Geschlechterfront aufzeigen soll. Was denken esoterik- und frauenbewegungserfahrene, psychodynamisch geschulte Menschen zwischen 30 und 45 heutzutage über Männer und Frauen?

Fünf Frauen im besten Alter haben ihre Ehemänner satt und leben in einem festungsähnlichen Haus zusammen. Rund um den WG-Tisch oder drapiert im Garten plaudern sie über das andere Geschlecht und entwerfen den Prototyp des neuen Mannes. Wolf (Thomas Heinze), katalysierender Putzteufel im Schafspelz, wohnt allein unter den Frauen. Er kocht und wäscht, was das Zeug hält, und hilft den neuen Mann zu finden. Fünf verlassene Ehemänner im besten Alter hocken zusammen in Kneipen und Waschsalons, um sich wegen des rätselhaften anderen Geschlechts die Haare zu raufen. Manchmal drohen sie mit Selbstmord, durchwühlen den Hausmüll ihrer Herzdamen und versuchen die Abtrünnigen ins heimatliche Ehebett zu locken. Lose verknüpft der Film Szenen, die um die exzessiv neurotischen Frauen und die intensiv gebeutelten Männer kreisen. Einige Szenen sorgen sogar für Situationskomik. Wenn Housekeeper Wolf mit erigiertem Genital Klavier spielt (leider nur in Rückansicht zu bewundern), läßt sich erahnen, daß van Ackeren eine Komödie im Auge hatte. Einige Dialogfetzen mögen durchaus zum kleinen Schmunzeln verführen. „Der ideale Mann soll putzen können, ißt Speisereste und trinkt Abwaschwasser“, erklärt Ehefrau Karla (Andrea Ferréol). „Die Frauen sind roh und gefühlsarm. Schwanzlose Ungeheuer“, erklärt Ehemann Willi (Dieter Landuris). In der spannungslosen Aneinanderreihung von Bonmots und belanglosem Hin und Her gerinnt die Komödie jedoch zur puren Form. Das Lachen bleibt ohne Erkenntniswert und wird im Verlauf des Films zur sinnlosen Anstrengung. Garantiert ohne Ansteckungsgefahr.

Van Ackeren inszeniert seine ProtagonistInnen mit der von ihm gewohnten Asepsis. Die Figuren agieren blutleer, fleischlos, kalt wie erloschene Vulkane. Ihre Bewegungen sind mehr als verhalten. Gefühle, Leidenschaften mögen irgendwo verschüttet sein, an die Oberfläche dringen nur noch Worte. Allen voran Ehefrau Eva (Sonja Kirchberger), ein sprechender Gipsabdruck mit vibrierender Unterlippe und vorgeschobener Kinnlade. Die Menschen auf der Leinwand sind auf Substratniveau reduziert, zu Modellen geworden, die Ansichten transportieren. Man soll sie nicht lieben, nicht hassen, sondern auf Distanz gehen und sich an ihren verbalen Ausstößen festhalten.

Aber leider ist das, was van Ackeren über die Geschlechter und ihre Beziehungen zu berichten weiß, äußerst banal. Die Frauen sind heutzutage etwas stärker als früher. Die Männer scheinen ziemlich verunsichert zu sein. Da Männer und Frauen nicht kompatibel sind, leiden beide auf ihre Art. Softies und Kuschelsex sind jedenfalls mega-out, putzende Drei-Sterne-Machos sind beschränkt in. Aber wenn sich der Richtige und die Richtige erst einmal gefunden haben, herrscht Wohlgefallen. Auf jedes Töpfchen paßt eben doch ein Deckelchen. Man muß das passende nur erst einmal finden. Michaela Lechner

„Die wahre Geschichte von Männern und Frauen.“ Regie: Robert van Ackeren, mit Sonja Kirchberger, Thomas Heinze, Andrea Ferréol. BRD 1992, 100 Min., Farbe.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen