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Bleibt der Gartenzwerg

„Go Trabi Go 2“ hält nicht, was Teil 1 versprach  ■ Von Christiane Peitz

Da gibt es zum Beispiel den Witz mit dem grünen Abbiegepfeil. Oder den mit dem wilden Osten. Oder den mit den Kondomen (schwarzrotgold) für Sicherheit im Verkehr. Oder den Spruch, wie man vom Ossi zum Boss wird und das ganz ohne Besserwessis. Wandlitzwitze, Stasiwitze, Trabiwitze. Alle längst erzählt. Die Frage ist, was sich danach noch sagen läßt.

In „Go Trabi Go“ reiste Familie Struutz von Bitterfeld nach Neapel, mit Trabi Schorsch, ostdeutscher Chuzpe und Goethes „Italienischer Reise“. Das war vor anderthalb Jahren und funktionierte nicht zuletzt wegen der Liebe zur Tücke des Objekts: Das kleine blaue Auto machte wundersame Wandlungen durch, vom München-Trabi über den Camping-Trabi, diverse Stunt-Trabis und die Kanarienvogelvariante bis zur Cabrio-Ausführung. Nach Vadim Glownas „Der Brocken“, Peter Kahanes „Cosimas Lexikon“ und Heiko Schiers „Alles Lüge“ — lauter mißlungenen Komödien zum Ende der DDR — ging „Go Trabi Go“ als deutlicher Sieger aus dem Rennen um die besten Pointen zum neuen Deutschland. Was daran liegen mag, daß er als erster gedreht worden war: ein schneller Film zur vorschnellen Vereinigung. 1,6 Millionen Zuschauer haben Peter Timms Sachsen-Klamotte mittlerweile gesehen, alleine 100.000 in Dresden, dem Heimatort von Wolfgang Stumph (Stumpi) alias Udo Struutz: das ist ein Fünftel der Einwohnerzahl. Jetzt kommen die Sachsen noch einmal, in „Das war der wilde Osten“, den Trabi-Film Nummer zwei.

Das Problem steckt schon im Titel. Auch sonst ist der Film unter Regie von Reinhard Klooss (der Nummer eins produziert hatte) und Wolfgang Büld („Manta Manta“) im Imperfekt gehalten: sicherer Abstand, gepflegte Geschwindigkeit, ausgewogen unparteiisch. Der künstliche Drive der durch Technopop aufgemotzten Westernfilmmusik kann das nur mühsam übertönen. Nichts ist tödlicher für eine Komödie als Pausen zwischen den Pointen — die, siehe oben, auschließlich bekannte Bonmots wiederholen — und jener verständnisheischende Gesamtblick, der Ossis wie Wessis zur sympathischen Solidargemeinschaft zusammenzwingt. Trabi-Film Nummer eins amüsierte sich einfach über jenes obskure Gefährt, aus dem heraus die Welt eben anders aussieht als aus einem Mercedes. Daß das Publikum sich dann mit dessen Insassen identifizierte und der Film — glaubt man dem Verleih — vielen Neubundesbürgern über die erste Depression hinweghalf, geschah gewissermaßen nebenbei. Trabi-Film Nummer zwei beabsichtigt von vornherein die Ermutigung: Udo Struutz ist als kleiner Mann und Erbe einer Gartenzwergfirma, diesmal mit dem „Faust“ in der Tasche, wieder ganz groß, Trabi Schorsch findet dank einer Gruppe Skins sein vorläufiges Ende in den Fluten der Elbe und erlebt seine wundersame Wiedergeburt im Original-Outfit, Gattin Rita kauft sich teure (West-)Fummel und betört den (West-)Bürgermeister, und Tochter Jacqueline macht einen Ausflug ins im Rotlichtmilieu, um am Ende das Familienglück wiederherzustellen. Vor den imposanten Felskulissen der sächsischen Schweiz, wegen des Heimatgefühls.

Die Wessis sind sowieso immer dieselben: Rolf Zacher als Zocker (hat der Mann je eine andere Rolle gespielt?), Dietmar Schönherr als Banker und Uwe Friedrichsen als Bilderbuchkapitalist, wie man ihn aus den Fernsehserien kennt. Schlimmer noch als die abgebremste Wiederkehr des Gleichen sind jedoch die dramaturgischen Ungereimtheiten. Familie Struutz kehrt heim vom zweiwöchigen Italien-Urlaub, den sie etwa zum Zeitpunkt der Währungsunion angetreten hatte. Zwei Wochen später ist ein Jahr vergangen — am Kino in Bitterfeld hängen die Plakate vom ersten Trabi- Film, das Eigenheim ist abgerissen, die Stadt wie ausgestorben. Die Drehbuchautoren hofften offenbar, daß keiner diesen Blödsinn bemerkt. Mancher Witz wird im Fünf-Minuten-Abstand gleich zweimal erzählt; wahrscheinlich fiel ihnen kein neuer ein. Und als Udo Struutz zum erstenmal die Dresdner Semperoper betritt, verschlägt es ihm die Sprache angesichts der architektonischen Pracht. Als sei DDR-Bürgern ein Besuch des Renommierhauses verwehrt gewesen: Struutz war immerhin Lehrer. Außerdem ist der Mann unfähig, sich einen Schlips umzubinden, aber wie man von Dresden binnen 24 Stunden nach New York kommt und wieder zurück, diese Frage löst er mit links.

Bleibt der Gartenzwerg. Der VEB „Rote Mütze“ liegt in Landwitz (Anspielung!), und ihr Produkt gleicht dem Neubesitzer Udo Struutz aufs Haar: der deutsche Michel mit Schnauzer und Nachtlampe, endlos aufgereiht auf verstaubten Fabrikregalen. Das beschert dem Firmenchef und auch dem Publikum immerhin ein paar witzige Momente nach dem Motto „Erkenne dich selbst“. Aber der Unterschied zwischen Trabi und Gartenzwerg liegt im Symbolgehalt: Der Trabi ist und bleibt ein Auto, nur deshalb konnte Dieter Hildebrandt im ersten Trabi-Film mit Recht behaupten: „Ein Auto ist eben auch nur ein Mensch.“ Der Gartenzwerg ist a priori Stellvertreter, keine unfreiwillige, sondern planvolle Projektionsfläche. Die Kritiker werden im Presseheft prompt mit einer kleinen Kulturgeschichte des Gartenzwergs bedient und an das Motto von Udo (Stumpi) Struutz erinnert: „Zwerge, die auf den Schultern von Riesen stehen, blicken weiter als die Riesen selber.“ Ein Satz, der auf Fortsetzungen im Kino mit Sicherheit nicht zutrifft.

Reinhard Klooss, Wolfgang Büld: „Go Trabi Go 2. Das war der wilde Osten“. Drehbuch: R. Klooss, Stefan Cantz, Kamera: Axel Block, mit Wolfgang Stumph, Marie Gruber, Claudia Schmutzler, Uwe Friedrichsen, Rolf Zacher, Dietmar Schönherr. BRD 1992, ca. 100 Min.

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