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Wadenbiß-betr.: "Wie schön war unsere Diktatur" von Barbara Spinelli, taz vom 11.8.92

betr.: „Wie schön war unsere Diktatur“ von Barbara Spinelli,

taz vom 11.8.92

Wie schön, daß ich mir nun auch von der Pariser Korrespondentin der Stampa erklären lassen muß, wie ich 40 Jahre in der DDR gelebt habe. „So wurde der Vater zum allgewaltigen Paten, die Familie zum Gefängnis und die Kinder zum durch die Stasi überwachten Insassen.“ Wenigstens Spurenelemente von Gysischer Originalität wären Frau Spinelli aufs innigste zu wünschen.

Kaum noch verschlüsselt die Botschaft: Stefan Heym ist an dem Schlag in sein Gesicht selber schuld, weil er sich hartnäckig dem Vergleich von Faschismus und Kommunismus widersetzt. Essay=Versuch. Wer hat als nächster zu diesem Thema einen Versuch bei der taz frei — der Tokio-Korrespondent der Los Angeles Times? Bernhard Hecker, Weimar

Endlich erfahre ich, in der DDR aufgewachsen, etwas über das Wesen und vor allem über die Repräsentanten der Diktatur. Stellvertretend für selbige wurde der „Altstalinist“ Stefan Heym von einem Emigranten geohrfeigt. Endlich findet einer den Mut, einen nahezu 80jährigen Mann zu verprügeln. Daß in einem noblen deutschen Lokal eine schweigende Menge zuschaut, ist wohl so ungewöhnlich nicht. Es ist aber schon mehr als befremdlich, wenn eine von Kenntnissen der ehemaligen DDR- Verhältnisse völlig ungetrübte Journalistin in der taz dem Angegriffenen noch mal in die Waden beißen kann.

Für Frau Spinelli und die taz ein leicht abgeändertes Zitat von Johannes Mario Simmel: „Den großen, alten Mann der DDR-Literatur hat niemand und nichts jemals brechen und mundtot machen können, und nichts und niemand wird es jemals können, jetzt schon gar nicht mehr. Für alles, woran er sein Leben lang geglaubt hat, wird dieser Autor, der nicht lügen kann, weiterkämpfen bis zum Tod. Viel länger! Denn es bleiben seine Bücher.“Die waren übrigens in der alten DDR oft kaum oder überhaupt nicht erhältlich.

Man mag zu dem „Komitee für Gerechtigkeit“ stehen, wie man will (ich selbst sehe auch keinen Nutzen darin), aber das berechtigt noch niemanden, eine so integre Person wie Stefan Heym pauschal zu verunglimpfen. Holger Linke, Gera

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