: Landwirtschaft im Osten liegt brach
■ Die Umstrukturierung der ostdeutschen Landwirtschaft kommt nicht voran/ Wegen ungeklärter Eigentumsverhältnisse erst 7.300 ha Land verkauft/ Ministerium sieht aber „enorme Fortschritte“
Bonn (AP/taz) — Knapp zwei Jahre nach der Wiedervereinigung sieht es in der ostdeutschen Landwirtschaft noch immer öde aus. Massenarbeitslosigkeit, drastische Absatzeinbrüche und unklare Eigentumsverhältnisse bestimmen das Bild; Umstrukturierungsmaßnahmen und Privatisierung sind bisher kaum in Angriff genommen worden. Zu allem Überfluß plagte dann die Bauern im diesjährigen Sommer auch noch eine Jahrhundertdürre. Im Bundeslandwirtschaftsministerium ist man dennoch der festen Überzeugung, die ostdeutsche Landwirtschaft habe nach ihrem Tief im Vereinigungsjahr „enorme Fortschritte“ erzielt.
Der Land- und Ernährungswirtschaft sei der Einstieg in die Marktwirtschaft bislang am besten gelungen, sagte der zuständige Staatssekretär, Gottfried Haschke, am Donnerstag. Die Erzeugerpreise für Getreide sowie für Schweine- und Rindfleisch lägen zum Teil bereits über den Preisen im Westen. Als Ursache führte Haschke genau das an, was die ehemals in der ostdeutschen Landwirtschaft Beschäftigten so frustriert: Sowohl die Anbauflächen als auch die Viehbestände seien erheblich verringert worden, meinte der Staatssekretär, der ansonsten von keinen weiteren „Fortschritten“ zu berichten wußte.
Die Umstrukturierung der staatlichen DDR-Agrarwirtschaft in eine leistungsfähige und privatwirtschaftliche Land- und Ernährungswirtschaft wird noch lange Zeit in Anspruch nehmen. Dazu sind vor allem höhere Investitionen erforderlich, als Experten ursprünglich angenommen haben. Trotzdem die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) umgewandelt oder aufgelöst wurden, herrscht in den ländlichen Gebieten nach wie vor Unsicherheit wegen der ungeklärten Eigentumsverhältnisse und des drastischen Abbaus von Arbeitsplätzen. Von den einst 850.000 Beschäftigten in der DDR-Landwirtschaft sind derzeit noch 250.000 übrig geblieben; 165.000 sind arbeitslos gemeldet. Immer noch gehen mehr Arbeitsplätze in der Landwirtschaft verloren, als neue Stellen geschaffen werden.
Auch die Privatisierung hat in größerem Umfang noch nicht begonnen. Drei Viertel der landwirtschaftlichen Fläche in den neuen Bundesländern wird von Genossenschaften und Kapitalgesellschaften bewirtschaftet, die aber nur 3.039 der insgesamt 20.111 Agrarbetriebe ausmachen. Rund eine Million Hektar der 5,3 Millionen Hektar umfassenden landwirtschaftlichen Fläche in den neuen Bundesländern sollen privatisiert werden, sobald die Rückübertragungsansprüche früherer Eigentümer erfüllt sind. Bislang sind erst 1.100 Hektar zur landwirtschaftlichen und 6.200 Hektar zur gewerblichen Nutzung verkauft worden, 56.000 Hektar wurden mit langfristigen Verträgen verpachtet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen