: Verbotene Filme der Polizei
Datenschützer beanstandet Videofilmerei bei ■ Pinnasberg-Demonstrationen
Hamburgs Datenschutzbeauftragter Hans-Hermann Schrader wird Hamburgs Polizei auf die Pelle rücken, um zu prüfen, ob sie rechtswidrige Filmaufnahmen auf Demonstrationen anfertigt. Schrader zur taz: „Wir nehmen uns das bei der nächsten Überprüfung als Thema vor und werden uns das mal angucken müssen.“
Pinnasberg: In den Morgenstunden des 18. August ist unter Polizeibegleitung mit dem Abriß der Gebäude begonnen worden, es kommt zu Protesten, es brennt eine Barrikade. In den Abendstunden des gleichen Tages versammeln sich rund 150 AnwohnerInnen friedlich zu einer Spontandemo, ohne jegliche Anzeichen von Gewalt. Mit von der Partie: Zivilfahnder der Davidwache. Sie lichten die Teilnehmer ungeniert aus nächster Nähe mit Zoom- und Teleobjektiv- bestückten Videokameras und Fotoapparaten ab.
Bis vor einem Jahr waren derartige Maßnahmen zweifellos strengtens untersagt. Nach dem legendären Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts (BVG) galt auch die „optische Dokumentation“ von Demos als „Erhebung personenbezogener Daten“ und stellte somit einen „Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht“ dar.
Aufgrund des neuen Polizeigesetzes (SOG) glauben nun viele Polizisten, einen Persilschein zu besitzen. Ein juristischer Trugschluß. Denn auch nach dem neuen SOG, gegen das zudem vor dem BVG eine Verfassungsklage läuft, ist Filmen nur dann erlaubt, wenn gerichtsüberprüfbare Anhaltspunkte für mögliche konkrete Straftaten vorliegen. Schrader: „Wir sehen eine Tendenz, daß die Polizei immer mehr dazu übergeht, im nachhinein eine Rechtfertigung für's Filmen zu finden.“
So auch am Pinnasberg. Zunächst mußte die morgendliche
1Barrikade als Begründung für das abendliche Ablichten der Protestler herhalten, weil das unhaltbar schien, und bei dem Aufmarsch keine Straftaten verübt worden waren, kündigte Polizeisprecher Wolfgang Lüdtke gegenüber der „Mopo“ die Löschung des Datenmaterials an. Auf Anfrage der taz stellte sich aber jetzt heraus, daß die Aufnahmen weiter munter ver-
1wendet werden. Polizeisprecher Hans-Jürgen Petersen: „Die Aufnahmen sind vom Revier 15 dem LKA 3 (Staatsschutz, d. Red.) übergeben worden, das jetzt auswertet, ob Straftaten verübt worden sind.“
Nach Auffassung Schraders ein bedenkliches Verfahren, selbst wenn die Polizei beteuert, nur nach dem neuen SOG zulässige „Übersichtsaufnahmen“ gefertigt zu
1haben. Denn mit moderner Technik — selbst ohne den Einsatz von Teleobjektiven — können problemlos Porträtaufnahmen herausvergrößert werden können. Und diese Personenkassiber verschwinden oft vor Auftauchen der Datenschützer in schriftlichen Staatsschutzakten, worauf die Datenschützer dann kein Zugriffsrecht mehr haben. Kai von Appen
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