Land für Frieden: Quadratmeterweise

Rabin deutet Möglichkeit eines Kompromisses über die Golan-Höhen an/ Syrisch-israelische bilaterale Verhandlungen in Washington befassen sich mit neuen israelischen Vorschlägen  ■ Aus Kairo Karim Gawhary

Just am ersten Tag der neuen Runde bilateraler Nahost-Verhandlungen, die soeben in Washington begonnen hat, ließ der israelische Ministerpräsident Jizchak Rabin die Katze aus dem Sack: Ein Teilrückzug Israels gegen einen Friedensvertrag mit Syrien — das ist nach israelischen Vorstellungen die Grundlage für weitere Gespräche mit der syrischen Delegation.

Vor dem „Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten und Verteidigung“ des israelischen Parlaments drückte sich der israelische Regierungschef sehr vorsichtig aus: „Israel wird sich nicht aus den Golan- Höhen zurückziehen, aber wir müssen dort auch nicht an jedem Quadratzentimeter Boden festhalten.“ Doch mit dieser Aussage zeigte sich die israelische Regierung zum ersten Mal offiziell bereit, über einen Teilrückzug aus den seit 1967 besetzten und 1981 annektierten Golan-Höhen zu verhandeln. „Wir werden bald sehen, ob die Syrer guten Willen zeigen und einen Friedensvertrag ratifizieren würden“, fügte Rabin hinzu — und: „Wir wollen keine Übergangslösung, sondern einen endgültigen Friedensvertrag.“

Unmittelbar vor Beginn der Washingtoner Gespräche hatten Rabin und sein Außenminister Perez zum ersten Mal von der Anwendung der UN-Resolution 242 im Zusammenhang mit den besetzten Golan-Höhen gesprochen. Über die Auslegung der Resolution wird seit langem gestritten: Ihre französischsprachige Fassung fordert seit 1967 den Rückzug Israels aus „den besetzten Gebieten“, während der englische Text den Rückzug „aus besetzten Gebieten“ verlangt. Der Leiter der syrischen Delegation Mufiq Alaf reagierte positiv, forderte aber mehr Klarheit.

„Hiermit stoßen wir zum Kern der Diskussion vor, nämlich zur Frage der Anwendung der UN-Resolution 242“, erklärte er im Anschluß an die erste Sitzung mit den Israelis.

Wieweit Israel bereit ist, sich zurückzuziehen, ist noch offen. Eines der Haupthindernisse für einen wirklich ernsthaften Schritt dürfte neben den bekannten militärstrategischen Erwägungen die israelische „Golan- Lobby“ sein. Die israelischen Siedler im Golan widersetzen sich jedem Rückzug, fordern weiterhin die Anwendung israelischer Gesetze und die Förderung des Siedlungsbaus.

Arabische Beobachter spekulieren nun über die nächsten konkreten Vorschläge Israels. Eine Offerte könnte der Rückzug aus fünf arabisch-drusischen Dörfern unmittelbar an der jetzigen „Grenzlinie“ beider Länder sein. Das Gebiet könnte dann in syrische Verwaltung übergehen, während multinationale oder US-Truppen zwischen die Linien rücken.

Weiterhin könnten die israelischen Delegierten den syrischen Unterhändlern anbieten, den Rest des Golan für eine bestimmte Zeit von Syrien zu pachten. Eine endgültige Klärung der Frage, welchen Status das Gebiet letztlich erhalten soll, wäre dann erst einmal aufgeschoben. Auch nach diesem Modell wird für die Übergangszeit eine Stationierung multinationaler Truppen erwogen.

Auf arabischer Seite rechnet man auch mit der israelischen Anregung einer Truppenentflechtung. Als Beispiel könnte dafür das Verfahren des ehemaligen US-Außenministers Kissinger im Sinai unmittelbar vor dem ägyptisch-israelischen Friedensvertrag dienen. Danach würde zwischen den beiden Truppen eine Sicherheitszone unter Aufsicht der UNO geschaffen werden. Diese Zone würde dann Schritt für Schritt vergrößert und ginge teilweise in syrische Verwaltungs- und Wirtschaftshoheit über.

Der neue israelische Vorschlag setzt die syrische Regierung unter Druck. Israel offeriert lediglich einen Teilrückzug und möchte den mit einem umfassenden syrisch-israelischen Abkommen über die Aufnahme politischer und wirtschaftlicher Beziehungen abgegolten haben. Syrien hingegen betrachtet die israelische Besetzung des Golan in Übereinstimmung mit internationalem Recht als illegal. Die Position der Regierung in Damaskus zum Thema Golan war bisher eindeutig: Wir sind bereit, über alles zu reden, wenn sich Israel vollständig vom Golan zurückgezogen hat.