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„Doch an meiner Seite war niemand“

■ „Dialog mit Lateinamerika“ — Jainer Leon im Café Grün und Carlos Caplan in der Galerie C. Hertz

Allein in dem kleinen Ausstellungsraum des „Cafe Grün“, allein mit den kargen Installationen des jungen Kolumbianers Jainer Leon. So muß es sein.

Der Raum ist niedrig und weiß gekalkt, der Blick über das Geländer hinunter ins Cafe mit hellen Planen abgeklebt. Aus grauen, zerquetschten Milchcontainern „tropft“ importierte Trockenmilch. Farbe hat hier nur der Müll, der verstreut zwischen aufgeworfener Erde in einer Ecke liegt, Abfälle eines kapputten Alltags, über denen, wie ein stummer Wächter, ein Holzstuhl aus Amazonien steht, umwickelt mit der Rinde eines Regenwaldbaumes.

„Doch an meiner Seite war niemand“ — dieser Beginn eines Gedichtes des mexikanischen Dichters Oktavio Paz, das fotokopiert an einer sonst kahlen Wand hängt, könnte das Motto der Ausstellung sein. Auch wenn sie im Rahmen des „Dialogs“ mit Lateinamerika stattfindet. Auch wenn Jainer Leon, engagiert und mittellos wie sonst beinah nur die Künstler in Akis Kaurismäkis Filmen, FreundInnen und UnterstützerInnen in Bremen gefunden hat. Auch wenn die Installationen insgesamt zur Kommunikation aufrufen, sei es dadurch, daß man eine Variationsreihe von Schiefertafeln in ihre Halterungen hängen darf (die dann allerdings aus der Wand brechen), sei es, daß man Leons Künstlerfreunde in Bogota' anfaxen kann (die dann „nicht erreichbar“ sind), sei es, daß eine einfache Mais-Sichel zum Fragezeichen wird.

Studiert hat Jainer Leon an der Nationaluniversität, an der „Fakultät der schönen Künste“ in Bogota'. „Schön“ ist seine Kunst nicht, aber berührend und voller Anspielungen auf die problematische Beziehung zwischen dem Westen und der „Dritten Welt“.

„Der Maisgott, der Blumengott, der Wassergott, der Blutgott, die Jungfrau — sind sie alle gestorben, fortgegangen...?“ — warum nicht Okavio Paz mitnehmen in eine viel größere und auch großartigere Ausstellung, in der Galerie Cornelius Hertz. Dort hat Carlos Capelan aus Uruguay drei hohe Räume und damit eine kleine Welt eingerichtet.

Gottlos ist diese Welt vielleicht nicht. Es scheint, als ob eine Göttin in diesen Räumen herrscht, klug, schön und grausam. Die Erde.

Mit Lehm sind die Wände handbemalt, mit Lehm die vielen im Raum verteilten Glübirnen abgedunkelt. Erde liegt auf geöffneten Atlanten, ist eingedrückt in Wachswaben, verteilt in Schälchen und Becherchen aus südlichen und westlichen Ländern der Welt. Erdfarben nicht zuletzt sind seine Bildern, die holzschnittkräftige Menschen zeigen, großäugige Frauenköpfe, nackte gedrungene Männer, manche enthauptet.

Zu Päckchen gewickelte Blätter hängen an den Wänden, ebenso Haarbüschel und Wurzeln, in Wachs getaucht.

Und doch ist die Rauminstallation von Carlos Capelan keine kultische Inszenierung, kein mystischer Raum, in dem wir problemlos in lateinamerikanische Traditionen eintauchen. Capelan nimmt den dialogischen Anspruch der lateinamerikanischen Kulturwochen sehr ernst.

Nicht nur finden sich die kultischen Elemente aus dem vorderen Raum, dem „livingroom“, hinten im „scientific-room“ wieder, diesmal allerdings in Glasvirtinen, und, ironischerweise, mit Wandbeschriftungen, die sorgfältig bis zur Unleslichkeit durchgestrichen sind. Der „livingroom“ selbst ist eine untrennbare Mischung aus europäischen und lateinamerikanischen Elementen. Der ganze Charme einer überlebten Bourgoisie (alte stilvolle Radios, Wanduhren, 50er Jahre Möbel, Perserteppiche) bricht sich in schönen Folklore- Klischees, Wandschriften mit Zitaten zur Kolonialisierung und Zeichnungen, die an die universellen Botschaften irdischer Raumkapseln für fremde Welten erinnern. Genug der Beschreibungsversuche. In Carlos Capelans Räumen muß man lange und gelassen verweilen.

Cornelia Kurth

Jainer Leon im Cafe Grün, Fedelhören 73, noch bis zum 10.9.

Carlos Capelan in der Galerie Cornelius Hertz, Richard Wagnerstr. 22, 27.8. bis 16.10. Am 1.9 um 19.00 lädt der Künstler zu einer Diskussion ein.

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