: Werktarif setzt Parlament unter Strom
■ CDU: Wedemeier „eigentlich nicht tragbar“ / FDP nimmt vor dem Bürgermeister „Hut ab“ / Grüne: Zurückzahlen
„Ein bißchen mehr Sensibilität hätte zur richtigen Entscheidung zur richtigen Zeit geführt.“ Mit selbstkritischen Zwischentönen versuchte Bürgermeister Klaus Wedemeier gestern in der Bürgerschaft die Luft aus einer aktuellen Stunde zu nehmen. Thema: Der Ansehensverlust des Landes Bremen durch des Bürgermeisters Stromvergünstigungen. Die Debatte war von der CDU beantragt worden, nachdem die taz veröffentlicht hatte, daß Bürgermeister Klaus Wedemeier für seinen privaten Stromverbrauch jahrelang nur die Hälfte des normalen Tarifs zahlen mußte.
Zu Beginn der Debatte hatte CDU-Fraktionschef Peter Kudella genüßlich eine Stadtwerke- Anzeige zitiert. Überschrift: „Wir sorgen nicht nur im Rathaus für Licht.“ Die Stadtwerke, so heißt es da, seien der richtige Partner. „Für Strom und Mehr. Für Sicherheit und Wohlbehagen.“ Der Bürgermeister vernahm's mit versteinerter Miene. Die Senatorenkollegen guckten in der Mehrzahl unter sich. Die späte Reue des Bürgermeisters,
meinte Kudella, helfe jetzt nichts mehr. „Wer den Verdacht erweckt, daß er sich etwas zustecken läßt, der ist für die Öffentlichkeit nicht mehr tragbar.“
Besonders die klammheimliche Art und Weise, wie die Preisermäßigung zustande kam, ärgerte Kudella. Es habe keinen Beschluß gegeben und der Aufsichtsrat sei nicht informiert worden. Kudella: „So etwas ging nur im dicken, stinkenden SPD- Filz.“ Wedemeier, so folgerte er, habe weder die politische noch die persönliche Integrität und sei „eigentlich“ nicht mehr tragbar. Kudella: „Wenn es eine Alternative gäbe, säßen Sie nicht mehr auf ihrem Sessel.“
In seiner Replik schob Wedemeier einen Teil der Verantwortung für den „Fehler“ auf den Stadtwerkevorstand. „Mir ist gesagt worden, daß das immer gegolten hat“, meinte er. „Mein Fehler war, nicht nachzufragen.“ Denn tatsächlich war nur Hans Koschnick gegen dessen Willen und Wissen (s. Kasten), Claus Grobecker und dann Klaus Wedemeier der Bonus zugute gekommen. Andere Aufsichtsratsvorsitzende waren entgegen erster Vorstandsaussagen, auf die Wedemeier sich bei seinen öffentlichen
Äußerungen zunächst verlassen hatte, nicht bedacht worden.
Wedemeier gab sich sicher, daß die Ampel durch solche Themen nicht belastet wird. „Wenn Sie glauben, Sie könnten Keile in die SPD oder sogar in die Koalition treiben, dann irren Sie sich“, rief er Kudella zu.
Und in der Tat: Der SPD-Fraktionsvorsitzende Claus Dittbrenner war mit Wedemeiers Erklärung „zufrieden“ und verlangte, jetzt darüber zu reden, „wie das mit Zusatzvergünstigungen in anderen Aufsichtsräten ist.“ Martin Thomas, Fraktionssprecher der Grünen, kritisierte zwar Wedemeiers Billigtarif und vermißte die Rückzahlung des gesparten Geldes. Doch er richtete die Kritik vor allem an den Stadtwerke- Vorstand. „Der Vorstand wollte offensichtlich andere mit hineinziehen, weil er sich selbst auch begünstigt.“ Thomas verlangte, daß auch die außertariflich bezahlten Mitarbeiter und insbesondere der hochverdienende Vorstand der Stadtwerke künftig den vollen Strompreis zahlen.
Für die FDP schlug Axel Adamietz den Bogen von Wilhelm dem II bis zu Richard von Weizsäcker. „Das Thema ist: Der Zustand des Parteiensystems“,
meinte der Abgeordnete, der lautstarken Beifall insbesondere der SPD-Fraktion erhielt, als er die CDU dafür kritiserte, daß sich die Fraktion nicht vom Rechnungshof in die Bücher blicken läßt. Auch die FDP war letzlich mit der Erklärung des Bürgermeisters ganz zufrieden. „Hut ab wegen Wedemeiers Eingeständnis“, meinte Axel Adamietz. Und so blieb als Ergebnis der Debatte die Absicht der Ampelfraktionen, künftig für mehr Transparenz sorgen zu wollen.
Tot ist das Thema damit aber noch nicht. Im Aufsichtsrat der Stadtwerke will CDU-Fraktionschef Peter Kudella vom Vorstand Aufklärung, warum diese Praxis an den Aufsichtsgremien vorbei mehr als ein Jahrzehnt Bestand hatte.
hbk
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