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„No-Fly-Zone“ über dem Südirak

Das von Washington, Paris und London verhängte Überflugverbot gegen die irakische Luftwaffe trat in Kraft/ Bei Verstößen droht Abschuß/ Zusammenhang mit Bushs Wahlkampf kein Geheimnis  ■ Aus Washington Andrea Böhm

Startschuß für den Showdown: Am Mittwoch gab US-Präsident Bush offiziell bekannt, was seit Tagen diskutiert wird. Seit gestern haben französische, britische und US-amerikanische Luftstreitkräfte Befehl, auf irakische Flugzeuge und Hubschrauber zu schießen, sobald die sich im irakischen Luftraum südlich des 32. Breitengrades zeigen. Der Schritt beruht auf einer Übereinkunft zwischen den westlichen Alliierten des Golfkriegs, Frankreich, Großbritannien und den USA. Die Einrichtung der Flugverbotszone ist nicht durch den UN-Sicherheitsrat autorisiert, wird aber durch den Verweis auf die UN-Resolution 688 legitimiert, weshalb sie im Pentagon „688 Strategy“ heißt. Diese Resolution verbietet Saddam Hussein Repressionen gegen die irakische Zivilbevölkerung.

Im Persischen Golf steht der Flugzeugträger „USS Independence“ mit neun Begleitschiffen für die Durchsetzung der „No-Fly-Zone“ (Flugverbotszone) bereit. Die Patrouillienflüge über dem Südirak werden vor allem von F-15 Kampffliegern der Air Force durchgeführt, die in Saudi Arabien stationiert sind. Sie sollen von zehn französischen Mirage- und sechs britischen Tornado- Flugzeugen unterstützt werden.

Nach offizieller Lesart ist die No- Fly-Zone eine Maßnahme zum Schutz der Schiiten im Südirak, die seit der Niederschlagung des Aufstandes im Frühjahr 1991 immer wieder von der irakischen Armee angegriffen werden. Der neue Showdown gegen den Irak hat aber nichts mit plötzlicher Sympathie des Weißen Hauses für schiitische Rebellen zu tun.

Vielmehr diskutieren die US-Medien seit Wochen ganz offenherzig darüber, ob dieses Vorgehen im Irak Bush in seinem Wahlkampf eher nützt oder schadet. Die Erblast des Golfkrieges in Gestalt eines quicklebendigen Saddam Hussein ist Bush längst zum Klotz am Bein geworden. Ihn zum dramaturgisch richtigen Zeitpunkt vor den Wahlen loszuwerden, kann die entscheidenden Stimmen im Kopf-an-Kopf-Rennen gegen seinen Kontrahenten Bill Clinton bringen. Der wiederum sieht sich zur Zeit Attacken ausgesetzt, weil er seinerzeit den Kriegsdienst in Vietnam umgangen hat. Folglich gibt sich der Demokrat keine weitere Blöße, die an seiner Tauglichkeit als potentieller Oberbefehlshaber der Streitkräfte zweifeln ließe: Er begrüßte ausdrücklich die Einrichtung der No-Fly-Zone — mit allen Konsequenzen.

Die sind vorläufig ungewiß. Als erste Reaktion auf die No-Fly-Zone hat Bagdad angedroht, das UN-Sicherheitspersonal auszuweisen. Nach Angaben des Pentagon hat die irakische Luftwaffe ihre Flugzeuge aus dem Süden abgezogen. Gleichzeitig seien ein Dutzend irakischer Kampfflieger des Typs Mirage 2000 auf Stützpunkten knapp über dem 32. Breitengrad stationiert worden. Diese Drohgebärde wurde in der irakische Presse durch die Ankündigung hervorgehoben, der Südirak werde „zum Grab für die fliegenden Invasoren.“

Niemand nimmt an, daß Bagdad die Reste seiner Luftwaffe riskiert. Den Pentagon-Strategen bereitet vielmehr Kopfzerbrechen, daß der Irak zwar seine Flugzeuge auf dem Boden behält, aber weiterhin Bodentruppen gegen die Schiiten einsetzt. Denn auf die Luftwaffe ist Bagdad nur im Kampf gegen die Rebellen im Sumpfgebiet angewiesen, wo weder Panzer noch Artillerie einsetzbar sind.

Die No-Fly-Zone umfaßt aber ein sehr viel größeres Gebiet. Darum sieht die „688 Strategy“ nach Informationen des Nachrichtenmagazins Newsweek außerdem vor, irakische Panzer und Artillerie aus der Luft zu bombardieren und mit F-15-Bombern auch in der Haupstadt Bagdad strategisch wichtige Punkte anzugreifen. Dazu zählt unausgesprochen auch der Kopf von Saddam Hussein.

Den würden die arabischen Nachbarn mit Ausnahme Kuwaits allerdings lieber unversehrt lassen. Unter den ehemaligen Verbündeten im Golfkrieg hat Washington keine Unterstützung für neue Militäraktionen gefunden. Zu groß ist dort die Furcht vor einer Dreiteilung des Iraks — und vor einem entsprechenden Machtzuwachs des Iran.

Was jetzt weiter passiert, liegt in der Hand Saddam Husseins und der amerikanischen Demoskopen. Letztere haben US-Präsident Bush vor zwei Tagen wieder unter erhöhten Handlungsdruck gesetzt. Clinton führt mit 15 Prozent Vorsprung.

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