Blutrünstige Angstkarawane

■ Maxi zum Thema Hoyerswerda erscheint in dne Tagen des Rostocker Pogroms / Hamburger Musiker um die Goldenen Zitronen beziehen deutlich Stellung

erscheint

in den Tagen des Rostocker Pogroms/

Hamburger Musiker um die Goldenen

Zitronen beziehen deutlich Stellung

Als im September 1991 der rassistische Mob in Hoyerswerda wütete und danach die Anschläge auf Immigraten nicht mehr abrissen, entstand unter Hamburger Musikern die Idee unter anderem mit einem Musiktitel dagegen zu halten. Der Zufall wollte es, daß der Rap zum Thema Hoyerswerda gerade jetzt erscheint, wo die Politiker ihr „Rostock“ herbeigeredet haben, um es jetzt zum Anlaß zu nehmen, kurzum das Grundgesetz zu ändern, anstatt ihre eigene Hauptverantwortung für die neuerlichen Pogrome anzuerkennen.

Daß es zu dieser Produktion kam, ergab sich aus Querverbindungen zwischen den verschiedenen musikalischen Szenen, die in gewisser Weise typisch für die Situation in Hamburg sind. Da sind einmal die Goldenen Zitronen, die von ihrem Album Punkrock den Text und noch ein paar andere Fragmente für 80 Millionen Hooligans, eins von drei Stücken der Maxi, beisteuerten, sowie für den Gesang verantwortlich sind. Rap und Scratches stammen von Easy Business und die Produktion im eigenen Knochenhaus-Studio von Matthias Arfmann (Ex-Kastrierte Philosophen, Cocoon u.a.) und Eric „IQ“ Gray.

Es kommt ja inzwischen durchaus schon häufiger vor, daß Musiker Statements gegen „Ausländerfeindlichkeit“ abgeben. Die Toten Hosen und Westernhagen behaupten in Anzeigen: „Ich bin ein Ausländer“. Das ist billig zu haben und erspart die Anstrengung des Begriffs. Ähnlich wortkarg sind die Musiker auf dem Anfang des Jahres erschienenen Techno-Sampler No More Ugly Germans. Ein guter Titel - aber sonst nichts. Wenn solche Ausländerfreunde auch nur ein Wort mehr äußern, zeigt sich meistens schnell, daß sie der Überzeugung sind, der Spitzenplatz Deutschlands im Kampf ums ökonomisch-technologische Weltniveau sei auch ohne die „negativen Seiten“ zu haben, die dieser Konkurrenzkampf gerade voraussetzt und reproduziert.

Auch die Plattenfirma Intercord hat kürzlich einen Sampler zu dem Thema veröffentlicht. Mit dabei auf Kein Hass Im Wilden Süden sind unter anderem Pur, David Hanselmann und Die Fantastischen Vier, insgesamt 18 Bands. Der gemeinsame Titelsong „Niemals Vergessen“ beginnt mit einem massiven nationalistischen Bekenntnis: „Wir haben Mauern eingerissen/Ein Volk zu werden als Ziel/Wir haben geju-

belt und geschrien/Als der Eiserne Vorhang fiel.“ Ein Zusammenhang zwischen ihrem Geschrei und dem anschließend beklagten „Blutvergießen auf den Straßen“ erkennen diese Leute leider nicht.

Die Texte der Goldenen Zitronen sind nicht von dieser Sorte. Hooliganismus und Rassismus werden hier als extreme Formen eines allgemeinen Überlegenheitsgefühles interpretiert, das die Bürger einer reichen Export-Nation empfinden. In „80 Millionen Hooligans“ sind die Jubeldeutschen Gegenstand eines Alptraumes. Im Schutz der Normalbürger agieren die Hools genauso wie später der Mob in Hoyerswerda. Der Alptraum wurde blutige Realität. Am Ende mußten die Immigranten weichen.

„Eine Angstkarawane zog zum

Städele hinaus, ein Stein fliegt, Blut fließt, Treffer, Applaus...“ heißt es in „Die Bürger von Hoyerswerda und anderswo“. In Deutschland gibt es wieder Pogrome! Mordanschläge auf „Fremde“. Und das hundertfach. Der Zusammenhang mit der „Wiedervereinigung“, die Deutschland nachträglich noch zum Gewinner des Zweiten Weltkrieges machte, liegt auf der Hand. Im Text wird diese inhaltliche Nähe zwischen Neonazis und „gemäßigtem“ Rassismus auf den Punkt gebracht.

Der wirkliche Schein, so die nächste Schlußfolgerung, besteht jedoch darin, daß der Reichtum „hier“ mit der Armut „dort“ nichts zu tun haben soll. Die Welt der kürzlich in München konferierenden „führenden Industriestaaten“

ist „nur deshalb so dick, weil sie gestern wie heute den Rest der Welt fickt“. Diese hier plakativ anmutende Behauptung eines Zusammenhangs zwischen dem Reichtum in der Ersten und der Armut in der Dritten Welt wird in dem Booklet im Detail ausgebreitet.

Diese Platte zeigt außerdem, daß Rap, auch deutschsprachiger Rap, dem Rockschema mit seinen leerlaufenden Refrains weit überlegen ist, wenn es darum geht, Bleiwüsten in Musik umzusetzen. Rap in deutscher Sprache war bisher meistens eine Katastrophe. In diesem Fall wurde er zum Ausdrcksmittel von Leuten, die etwas mitzuteilen haben. Nur so kann es gehen. Günther Jacob

Die Goldenen Zitronen u.a./80 Millionen Hooligans (Sub up)