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GELUNGENE ANNÄHERUNG

■ "Journey" - ein anspruchsvoller Reisebegleietr durch Spanien

„Journey“ — ein anspruchsvoller Reisebegleiter durch Spanien

VONEDITHKRESTA

1992 feiert sich Spanien: Expo, Kolumbus, die Vertreibung der Mauren, die schon wieder vergessene Olympiade und Madrid als Kulturhauptstadt sind bzw. waren die medienwirksamen Ereignisse. „Eine Marketingoperation des Staates, um die Verkaufszahlen des Produkts mit dem Markenzeichen Spanien in die Höhe zu treiben“, wie der Schriftsteller Rafael Sánchez Ferlosio lakonisch kommentiert. Durch diesen Dschungel der Ereignisse ist „Journey“ ein aufgeklärter und kenntnisreicher Begleiter. Spanien ist das erste Heft dieser neuen Länderreihe des Listen Verlag. Geplant sind jährlich zwei Hefte zu unterschiedlichen Länderschwerpunkten.

Im Gegensatz zu den üblichen Titeln zum Thema Reise, die durch den Blick von außen mehr oder weniger oberflächlich dem Land begegnen, setzt „Journey“ auf die Innenansicht. Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus unterschiedlichen Städten und Regionen Spaniens kommen zu Wort. Sie beschreiben aus ihrem Blickwinkel die Stadt, in der sie leben, oder die Entwicklung des Landes. Durch Madrid führt in einem sehr einfühlsamen, persönlich gehaltenen Porträt die Schriftstellerin Diana Raznovich. Juan José Millas, Juan Madrid und Javiér Marias geben ihre Stadtansichten preis. Eduardo Mendoza, Juan Marsé, Joan Perucho und Andreu Martin äußern sich über die rasanten Veränderungen und Eigenheiten Barcelonas. Außerdem Gespräche über den Modernisierungsprozeß in Spanien und den Sinn oder Unsinn von Gedenktagen, wie 500 Jahre Reconquista, mit Antonio Munoz Molina und Juan Goytisola.

Neben diesen prominenten Insider-Ansichten findet der Leser interessante Abhandlungen zu den zelebrierten historischen Schwerpunkten: kritische Würdigungen der multikulturellen Ansätze im Maurenreich oder die Rolle der Kanaren seit Kolumbus bis zur modernen touristischen Invasion. Trotz aller literarischen und historischen Feinfühligkeit bleibt die politische und soziale Realität des Übergangs Spaniens zu einer modernen Demokratie nicht ausgespart. Die transición und ihre Widerspiegelung in Literatur, Kunst, Architektur und Politik sowie die unübersehbaren Schattenseiten ziehen sich als Thema durch alle Gespräche und Essays. Ein Beitrag über die Flüchtlinge aus Afrika, insbesondere aus dem Nachbarstaat Marokko, beschäftigt sich mit der Asylpolitik Spaniens. Mit der Unterzeichnung des Schengener Abkommens verpflichtete sich Spanien wie die anderen EG-Staaten zur einheitlichen Visa- und Asylpolitik. Der allgemeine Visumzwang gegenüber Flüchtlingen und Migranten aus „Ländern der Dritten Welt“ bedeutet, daß legale Einwanderungsmöglichkeiten ins Schengener-Europa nicht mehr existieren. Die südeuropäische Außengrenze ist asylantendicht. „Entwischte, Erwischte und Ertrunkene, gehören zu diesem Konzept von Europa“, schreibt Listen- Redakteurin Bettina Höfling.

Darüber hinaus bieten Buchtips vom klassischen Feuchtwanger mit „Die Jüdin von Toledo“ bis hin zur wärmsten Verlagsempfehlung für eine deutschsprachige Ausgabe von Rosa Regás „Memoria de Almator“ einen anspruchsvollen Service für den Reisenden mit echtem Interesse an Land, Leuten und Kultur weit jenseits der Klischees von Torero und Flamenco. Ein gelungenes Magazin, welches das Reisen im positivsten Sinn, nämlich „ein Land erfahren“ definiert, und im üblichen Blätterwald mit diesem Konzept konkurrenzlos dasteht. Wir warten gespannt auf den nächsten Länderschwerpunkt.

Zu bestellen bei: Listen, Jordanstr. 14, 6000 Frankfurt 90 oder im Buchhandel, 12.-Mark.

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