: Nach London: Trommelfeuer auf Sarajevo
■ Westteil der Stadt steht in Flammen/ UNO-Hauptquartier und Erste-Hilfe-Zentrum beschossen
Sarajevo/London (AP/taz) — Wie wirkungslos die Ergebnisse der Londoner Konferenz ohne entsprechende Garantien sind, zeigte sich bereits einen Tag nach deren Abschluß: Die serbischen Belagerer beantworteten die Friedensappelle mit einem Trommelfeuer auf Sarajevo. Im Westen der Stadt brannten wieder zahlreiche Gebäude. Bereits in der Nacht zum Freitag kamen bei schweren Gefechten mindestens zehn Menschen ums Leben — 67 wurden zum Teil schwer verletzt. Am gestrigen Vormittag wurde der Beschuß dann noch weiter gesteigert, wobei vorrangiges Ziel bewohnte Wohnhochhäuser waren. Nebenbei wurden auch das Hauptquartier der UNO- Truppen in Sarajevo und das Erste- Hilfe-Zentrum getroffen. Nach offiziellen Angaben starben innerhalb von 24 Stunden 19 Menschen in Sarajevo und 45 in Bosnien insgesamt. So scheiterte die am Wochenende gestartete bosnische Offensive, mit der der serbische Belagerungsring durchbrochen werden sollte, endgültig in dem pausenlosen Abwehrfeuer der Serben. Im Rundfunk in Sarajevo wurden Anordnungen verlesen, daß die Menschen nicht auf die Straße gehen sollten. Seit zwei Tagen ist Ausgangssperre in Sarajevo.
Doch nicht nur die erneuten Kämpfe signalisieren eine weitere Runde im jugoslawischen Bürgerkrieg.
Auch unter Belgrader Spitzenpolitikern wurden Spannungen erkennbar, die den vereinbarten Friedensprozeß erschweren könnten. Der jugoslawische Ministerpräsident Milan Panic forderte auf einer Pressekonferenz in London den serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic auf, entweder den Friedensprozeß zu unterstützen oder zurückzutreten. Die beschlossenen 13 Friedensgrundsätze seien jetzt „der offizielle Friedensplan der Bundesrepublik Jugoslawien“. Später, in Belgrad, bestritt Panic allerdings, in einen Machtkampf gegen Milosevic verwickelt zu sein. Milosevic gilt als treibende Kraft hinter den Kriegen im ehemaligen Vielvölkerstaat.
Auch bei den UNO-Soldaten steht nicht alles zum besten. Wie ein französischer Major sagte, verstärkten sich Anzeichen sinkender Moral. Immer häufiger erklären Offiziere und Soldaten, sie glaubten nicht mehr an Friedensvereinbarungen und befüchteten für sich das Schlimmste: „Wir sind Geiseln. Dies ist schlimmer, viel schlimmer als Beirut.“ BZ
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