: Mächtige Stimme des Herrn
■ Samstag bei „women in (e)motion“: Gospelsängerin Fontella Bass
Fontella Bass ist gläubig. Gospel ist die religöse Musik der AfroamerikanerInnen. Im Gospel wird Sein Hohelied gesungen und das Seines Sohnes. Der Lichthof des Überseemuseums ist ein weltlicher Ort. Was fasziniert eine Nichtgläubige an dieser Musik? Die Inbrunst, mit der GospelsängerInnen sich zu ihrer Überzeugung bekennen, das tiefe Vertrauen in den Glauben, das sich in der Musik widerspiegelt und die offen zur Schau getragene Emotionalität, das sind die Momente, die zumindest mich berühren.
Musikalisch ist Fontella Bass ohne Zweifel eine großartige Botschafterin ihres Herrn. Mit mächtiger Stimme trägt sie ihre Botschaft vor. Auch in den Passagen, in denen sie Piano und Mikro verließ, war ihre Stimme klar zu hören. Es mag nach Klischee klingen, aber ihr Gesang war wirklich beseelt. Wenn sie aus voller Kehle singt „I'm not tired yet“, darf mensch ihr glauben. Fontella Bass begleitet sich mit meist swingenden Pianolinien. Gern läßt sie ihre Rechte rollende Akkorde anschlagen, die oft einen Touch von Boogie hinzufügen. Das Repertoire umfaßte bekanntere Gospels, wie das Intro „God is so good to me“ oder „(Have you got) Good Religion“, aber auch unbekanntere Stücke.
So waren eigentlich alle Bedingungen für ein begeisterndes Konzert gegeben, wenn da nicht der für meinen Geschmack etwas zu insistierende Missionierungsanspruch von Frau Bass gewesen wäre. Mein Respekt vor ihrem Glauben und meine Bereitschaft, mich darauf einzulassen, wie sie ihn in ihrer Musik ausdrückt, endet da, wo ich mich missioniert fühle. Damit meine ich nicht die Ansagen, in denen Frau Bass die Bedeutung ihres Glaubens für sich hervorhebt. Sie versteht sich als ein „Instrument“ zur Verbreitung von „Gottes Wort“. Aber sie beläßt es nicht dabei, „sein Wort“ wirken zu lassen. Immer wieder versuchte sie, dem Publikum ein christliches Bekenntnis abzufordern. „Kennt ihr das Wort Hallelujah?“ Ein zögerndes Ja aus dem Publikum. „Ich möchte, daß jetzt alle Hallelujah singen — Hallelujah, Hallelujah.“ Stockend und ein wenig eingeschüchtert bildet sich das antwortende Hallelujah in den Publikumsreihen. Ich ziehe es vor, selbst zu entscheiden, wann mich die Botschaft so berührt, daß ich in sie einstimme. Montezuma Schmidt
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