: Wider die Werwölfe
■ Elf Künstler "gegen Verdrängen und Vergessen" in der Galerie der Büchergilde
„gegen Verdrängen und
Vergessen“ in der Galerie der Büchergilde
Am Vorabend des 1. September, den der Deutsche Gewerkschaftsbund traditionell mit einem Antikriegstag begeht, wurde in der Kellergalerie der Büchergilde Gutenberg am Besenbinderhof, bei Brot und Selterwasser, eine kleine Ausstellung eröffnet, die den Titel Gegen Verdrängen und Vergessen trägt. Elf Künstler hat der Hamburger Kunstwissenschaftler Gunnar Gerlach mit je einer Arbeit für sein Konzept gewonnen, das in der Tradition der großen Anti-Golfkrieg- Ausstellung steht, die Gerlach im Frühsommer 1991 im Kunstverein und Kunsthaus initiierte.
Entscheidend für die Zusammenstellung der aktuellen Ausstellung, so Gerlach, sei die persönliche Integrität der Künstler und die thematische Kontinuität ihrer Arbeit, eine „Kontinuität der Schreckensbilder“, deren politischen Hintergrund er mit „Golfkrieg, Somalia, Jugoslawien und die dritte deutsche Verdrängung“ umreißt. Ein Spektrum, das die Inhalte der Arbeiten bestimmt (bedingt?).
Einen eindrücklichen Beitrag liefert der in Hamburg lebende Ralf Jurszo mit seinem Ritter, Tod und Teufel betitelten Ensemble: Fünf in plumper Kreuzform gehängte kleine Leinwände zeigen idyllische Landschaftsmalereien, in die Jurszo mit braunroter Runenschrift die Worte „Werwölfe“ oder auch „Jagdein- heit“ eingetragen hat. Die „Aktualität der Werwölfe“ sei es, die ihn im Moment am meisten bewege, sagt Jurszo, denn „Wehrwölfe“ hätten sich 1945 die ersten neofaschistischen Sabotagetrupps genannt.
Aktuell weil zeitlos ist auch die Arbeit von KP Brehmer, die Ende der 60er entstand: Zwei Briefmarken im Großdruck korrespondieren miteinander, die Marke „Stuka“ aus dem Portokontigent des „Deutschen Reichs“ und die Marke „Ber-
1lin“: Zartes Eichenlaub grünt bereits aus den Ruinen.
Der jüngste unter den Künstlern gegen das Vergessen und Verdrängen ist Frank Gerritz, 27 Jahre alt. Sein Objekt I made History besteht aus einem Spiegel, in dessen Mitte ein Aufkleber mit dem US-Kriegsheimkehrer-Slogan „I made History at The Welcome Home Parade, June 10, 1991“ klebt.
Druck erzeugt Endlichkeit nennt Rainer Wiencke seine Installation
1mit drei Schraubstöcken: Das eingeschraubte Beil symbolisiere, so Wiencke, in mehrfacher Hinsicht die potentielle Kraft, sich dem gesellschaftlichen Druck und dem damitEnde der Denkprozesse zu widersetzen.
Regungslos verharrte eine Besucherin am Montagabend vor der Skulptur von Gerd Stange, Proust und der Krieg, ein von winzigen Schachfiguren getragenes Objekt, das nach den Worten des Künstlers 1
2zum Nachdenken über eine „neue Ordnung“ in einer Welt mit „derzeit 51 Kriegsschauplätzen“ anregen soll. Die Illusion, daß Kunst politisch etwas bewegen könne, habe er begraben, sagt Gunnar Gerlach, es gehe darum, subjektive, neue Wege der Reflexion aufzuzeigen. Und eben damit setzt diese Ausstellung wichtige Signale wider die private Hilflosigkeit. Mechthild Bausch
Besenbinderhof 61, bis 25.9.
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