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Soldaten im Kunst-Licht

■ Imagepflege: Die Bundeswehr macht gemeinsam mit Medienstudenten documenta-Fernsehen

Unweit der „Piazza Virtuale“ auf der documenta9 herrscht ein zweiter Fernsehsender über die „Poetisierung des Alltags“. Er trägt den biblisch anmutenden Namen „Let there be TV“, verfolgt aber durchaus weltliche Interessen. Medienstudenten der Universität Kassel und die deutsche Bundeswehr haben ein „Kunstfernsehen“ installiert, das nach eigenen Aussagen ganz ohne Theorie auskommen will.

Seit geraumer Zeit findet die „Neue Medien“-Elektronik Einzug in die Gefilde der Kunst. Die documenta beheimatet gleich zwei Fernsehsender, die die Grenzen des Mediums ausloten und neu definieren wollen. Der Sprung ins Wohnzimmer und wieder zurück ist längst kein Hindernis mehr für die interaktiven Möglichkeiten des Mediums. Und auch seine dekorative Funktion kommt nicht zu kurz: Alltägliches wird elektronisch aufbereitet und in die gute Stube gebeamt.

Bei „Let there be TV“ soll mittels Kameras im Sendezelt, mobilen „Überwachungs“-Einheiten im Stadtraum und computergenerierten Bildoberflächen ein „Raster von Kunst und Urbanität“ aus „realen und zugleich fiktiven Bildern und Tönen“ geschaffen werden, ein „elektronisches Ornament, das sich erst im Kopf auflöst und weiterentwickelt“. Eine solche „Poetisierung des Alltags“ beabsichtigt die „Übertragung der Kunst in den Alltag“.

Nun kann aber die Allianz von angehenden Künstlern und Soldaten nicht in einem politikfreien Raum stattfinden. Ein derartiges „Kunstfernsehen“ muß sich an den eigenen Bedingungen messen lassen.

Die eitle Nabelschau des Heeres, als die sich das Unterfangen entpuppt, dient sichtlich dessen Ansehen. Unumwunden wird von den Studenten zugegeben, das Image der Bundeswehr aufpolieren zu wollen, sie in einem zivilen Licht erscheinen zu lassen.

Allerdings kann auch ein „Kunstproduzent Bundeswehr“, der mit seiner Hardware die Software fast schon zu ersetzen trachtet, die militärische Nutzbarkeit dieser Kunsttechnik nicht unsichtbar machen.

Über den Zusammenhang von Militär- und Medientechnologie hat schon Paul Virilio gearbeitet. Seine These von der „Logistik der Wahrnehmung“ basiert auf dem Gedanken, Krieg als Voraussetzung für Technikentwicklung und Medientechnologie zu begreifen. Jedes neue Medium, dessen Entwicklung auf schnellere Raumdurchdringung abzielt, ist virtuelles Kriegsgerät, denn es schafft neue „Wahrnehmungsfelder“, die die alte kontinuierliche Wahrnehmung zerstören. Dieser Zusammenhang wurde unlängst im Fall des Golfkriegs diskutiert, als die Infrarot-Bilder des Zielsystems LANTIRN die vollkommene Trennung von Subjekt (Pilot/Zuschauer) und Objekt (Anflugsziel) bewirkten und auf ihre makabre ornamentale Ästhetik hingewiesen wurde, die der eines Videospiels stark ähnelte. Doch davon will „Let there be TV“ offenbar nichts wissen.

Es wäre ja nichts gegen ein Unterfangen einzuwenden, das die Vorzüge des Fernsehens — Aktualität und Live-Charakter — auf einer Kunstschau integriert. Darauf berufen sich die Macher zu Recht. Warum aber ein so unkritisches Fernsehen der Selbstdarstellung des Heeres (täglich um 18 Uhr: „Wir — die Bundeswehr“) so breiten Raum gewährt, ist offensichtlich: Da geht es bloß um Werbung für ein Positiv- Image, vielleicht auch um Akzeptanz für die künftig gewünschten Nato- Einsätze der nimmermüden Krieger. Hagen Moll

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