Ein Haus der guten Form

■ Ab 95 das Wilhelm Wagenfeld-Haus: Ehret den Meister und folget ihm nach!

Kein „closed shop“, kein Museum: Kultursenatorin Helga Trüpel hatte gestern eigens zur Pressekonferenz geladen, um ihr Vorzeige-Kind, das neue „Wilhelm Wagenfeld-Haus“, endlich mal ins rechte Licht zu rücken. Wäre doch bislang in der Kulturszene hauptsächlich über die Kosten des Umbaus der alten Ostertorwache geschimpft worden, sei es jetzt, nach dem definitiven Beschluß des Senats vor einer Woche, an der Zeit, über die inhaltliche Gestaltung des Hauses zu sprechen. Vulgo: Worauf können wir uns freuen?

Der richtige Mann, den Mund wässrig zu machen, war der vom Wirtschaftssenator bezahlte Bremer Design-Beauftragte Jochen Rahe (merke: auch Information ist designbar!). Neben der Wilhelm Wagenfeld-Stiftung und der Gesellschaft für Produktgestaltung zieht Rahes Design Zentrum Bremen in die Ostertorwache. Und Rahe, der bislang im „BITZ“ auf dem Uni-Campus öffentlich kaum wahrgenommen wird, freut sich auf sein Innenstadt-Standbein und verspricht „ein interessantes Haus“.

Er wird feine Ausstellungen herholen, die im neu zu gestaltenden Foyer ihren Platz haben werden. Etwa Bundes-Designpreis- Träger oder Haarwaschmittel Schwarzkopf mit umweltgerechter Verpackung. Er will widerspiegeln, was designmäßig in Bremen läuft, in den „80 nennenswerten Designbüros“ und engagierten Firmen. Wie plant die BSAG ihre neuen Haltestellen-Häuschen?

Um die weltbewegenden Fragen des Designs in der Diskussion zu halten — z.B. immer wieder mit Wagenfeld „Was ist gutes Design?“ — sind Seminare, Workshops und gar Symposien geplant, neben etwas ungewöhnlichen Fragestellungen wie „Design für Blinde“ denkt Rahe an Schiffbau-, Weinhandel- und Musikinstrumenten-Design. „Alltagsfragen, die alle berühren,“ hofft er. Ziel: „Vernetzung“ von Handelskammer, interessierten Geschäftsführern und Designern im Kontakthof Wagenfeld-Haus.

Natürlich ist das Haus, wenn schon kein Museum, so doch eine Ehrenstätte für den Bremer Sohn Wilhelm Wagenfeld (1900 - 1990). Die Wilhelm Wagenfeld- Stiftung besitzt den Nachlaß des berühmten Industriedesigners, mit Beate Manske nimmt sich eine ausgewiesene Fachfrau der Entwürfe, Modelle, der Fachbibliothek und des wertvollen Schrifttums an. Mit Wagenfeld will sie „dem Publikum den Nutzen der guten Form zeigen (und der Industrie, daß auch mit aufwendig gestalteten Produkten kommerzieller Erfolg möglich ist).

Hinter der Stiftung steht die Gesellschaft für Produktgestaltung, die auch ins Wagenfeld- Haus zieht: Behörden- und Wirtschaftsleute, Uni- und HfK-Angehörige. Gründungsmitglied ist Eberhard Kulenkampff, Geschäftführer der GEWOBA und Architekt. In drei Jahren, schätzt er, könnte das Wagenfeld-Haus fertig sein: Sanierung, Renovierung, Entkernung. Die Zellen des Gefängnisses (1810 erbaut)sollen bestehen bleiben und als Büroräume genutzt werden. Das ganze Haus soll in die Wallanlagen integriert, der angrenzende Spielplatz „Robinsöhnchen“ vergrößert werden.

Die Ostertorwache war ein Folterkeller der Nazis. Um diese Gespenster zu beschwören, soll das Haus einige der elenden Zellen als Gedenkstätte behalten. Die „Arbeitsgemeinschaft der verfolgten Sozialdemokraten“ will sich beteiligen. Fraglich indes ist, ob sich eine solche Mahnstätte angemessen integrieren läßt _ oder ob sie zur Gruselkammer verkommt. Bus