: Achtung Einsturzgefahr!
■ Rabiater Vermieter setzte nigerianische Familie ohne Räumungsklage einfach vor die Tür/ Einstweilige Verfügung gibt aber den Mietern recht
Berlin. Als Uschenna Akaegbobi am Mittwoch morgen gegen 6.30 Uhr in ihre Wohnung in der Karlstraße 7 in Lichtenrade wollte, traute sie ihren eigenen Augen nicht: Die Tür ihrer Wohnung war mit einem Vorhängeschloß verriegelt. »Wegen Einsturzgefahr geschlossen« stand lapidar auf einem kleinen Zettel, den der Vermieter an der Haustür der Akaegbobis angebracht hatte. Frau Akaegbobi, die zusammen mit ihrem Mann und zwei Töchtern in der Lichtenradener Wohnung lebt, hatte die Nacht bei ihrer kranken dreijährigen Tochter im Christopherus-Krankenhaus verbracht. Schon am Dienstag war ihr aufgefallen, daß die Briefkästen aller Mieter plötzlich abmontiert waren. »Ich konnte einfach nicht mehr in meine eigene Wohnung«, erzählte die Nigerianerin. Auch die für die 26jährige Frau lebenswichtigen Medikamente waren in der kleinen Zweizimmerwohnung eingeschlossen. Sogar den Strom soll der Vermieter am Mittwoch morgen eigenmächtig abgestellt haben. Ihr Mann, ein Geologie-Doktorand an der Humboldt-Universität, konnte ihr in dieser prekären Situation auch nicht helfen; er hält sich für einige Tage in Aachen auf. Der Grund für den ebenso rabiaten wie rechtswidrigen Rausschmiß: Der Vermieter hat das Haus kürzlich verkauft und versucht nun, das Haus für Renovierungsarbeiten zu räumen. Ohne hinreichende Gründe kündigte er deshalb das Hauptmietverhältnis. Mit Hilfe des Mieterschutzbundes legten die Akaegbobis schon im August Widerspruch ein. Nach dem gesetzlichen Kündigungsschutz muß ein Vermieter entweder glaubhaft Eigenbedarf anmelden, oder der Mieter muß gegen Bestimmungen des Mietvertrages grob verstoßen haben. Beides war bei den Akaegbobis nicht der Fall. Aber selbst wenn die Kündigungsgründe ausreichend gewesen wären, hätte der in Wannsee lebende Vermieter ein Räumungsurteil gebraucht, um die Familie aus der Wohnung schmeißen zu können.
Bernhard Zuther hat diesen Fall im Auftrag des Mieterschutzbundes betreut. So ein brutales Vermieterverhalten hat er schon lange nicht mehr erlebt: »Das, was der Familie Akaegbobi zustößt, ist der Wilde Westen. Das kommt in dieser Form nicht so häufig vor«, berichtete der Rechtsanwalt, der ohnehin mit Vermietern nur zu tun hat, wenn sie sich nicht an die gesetzlichen Bestimmungen halten. Die Absicht, ein Haus zu renovieren, sei als Kündigungsgrund keinesfalls ausreichend. Schließlich habe die betroffene Familie eine abgeschlossene Wohnung gemietet, so daß ihr Mietverhältnis durch den Kündigungsschutz voll gesichert sei. Darauf habe er den Vermieter in zwei Briefen ausdrücklich hingewiesen. Für Zuther steht außer Frage, daß das Amtsgericht gegen die Räumung eine einstweilige Verfügung erlassen wird: »Es ist ein Wesensmerkmal eines Rechtsstaates, daß man für eine Räumung ein rechtskräftiges Urteil braucht.« Schon gestern nachmittag trat ein, was Bernhard Zuther erwartet hatte: Die Wohnung der Akaegbobis wird morgen durch einen Gerichtsvollzieher geöffnet. Rüdiger Soldt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen