: Zwei Wochen pure Männlichkeit bei den US-Republikanern
■ Rituale im Männerclub
Rituale im Männerclub
Washington (taz) — „Bohemien- Brüder. Die Sonne ist wieder in den Klauen des Löwen, und die sie umgebende Jahreszeit ruft uns in die Wälder, dort die ehrfurchtgebietenden Mysterien zu feiern. Bohemiens kommt, findet wieder heim in den Hain. Kommt mit all dem heiteren Schwung und Sturm der Jugend.“ Mehr als 2.000 eher ältliche Herren denn vitale Jünglinge lauschen andächtig diesen Worten, mit denen alljährlich in einer Kulisse, die der Bühnenbildner einer Wagner-Oper nicht besser hätte entwerfen können, feierlich das Sommerlager des „Bohemian Club“ eröffnet wird. 1872 in San Francisco gegründet, gilt der reine Männerclub heute als einer der exklusivsten in den USA. Er gilt als Zufluchtsstätte für die konservative Elite des Landes, von Pressebaronen über Unternehmer bis hin zu ehemaligen und amtierenden republikanischen Präsidenten ist alles vertreten. Ronald Reagan und George Bush sind Mitglieder, James Baker und auch sein Amtsvorgänger Kissinger. Philip Weiss, der sich 1989 für das New Yorker Satiremagazin Spy in das strengbewachte Lager der „Bohemians“ in den Redwood-Wäldern nördlich von San Francisco einschlich, entdeckte sogar einige „deutschsprachige Männer in Lederhosen“. Helmut Schmidt, damals noch Kanzler, soll 1982 Gast gewesen sein.
Mit Mystik und Ritualen wird hier zwei Wochen lang pure Männlichkeit gefeiert. Teil des Eröffnungszeremoniells — laut Vereinsliteratur ein Konglomerat aus Riten der Druiden, aber auch Logen des 19. Jahrhunderts, aus Shakespeare-Dramen und mittelalterlicher christlicher Liturgie — ist zum Beispiel die Verbrennung von „Care“. Jegliche Sorge und Fürsorge der Bohemiens für die Außenwelt geht dabei in Rauch auf. Die Jungs sollen ihre Zeit in den Wäldern und vor allem die Gemeinschaft mit ihren Kumpels eben genießen können, ohne an den Job oder schlimmer noch an Frau und Familie denken zu müssen.
„Du weißt, du bist im ,Bohemian Grove‘, wenn du einen Mann in die Büsche urinieren siehst, das Bierglas in der einen, den Penis in der anderen Hand“, brachte Spy-Reporter Weiss die zwei Dinge auf den Punkt, die in dieser „Right-wing Fantasia“ am höchsten gehalten werden.
Öffentlich pinkeln — in der US- Zivilisation ansonsten verboten — und rund um die Uhr saufen (mit dem morgens am Bett servierten Gin-Fizz beginnend) charakterisiert den „Bohemian“. Nur an den Redwoods rund um den Speiseplatz, wo man sich zu erlesenen Mahlzeiten einfindet, mahnen Schilder: „Gentlemen bitte! Hier kein Pipi“. Martina Sprengel
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