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SPD: Seiters trödelt bei Asylverfahren

Ministerpräsidenten von Hessen und Rheinland-Pfalz fordern den Rücktritt des Innenministers  ■ Aus Bonn Tissy Bruns

Nach der Kritik des hessischen Ministerpräsidenten Hans Eichel (SPD) warf nun auch der rheinland-pfälzische Regierungschef Rudolf Scharping (SPD) der Bundesregierung vor, die Asylverfahren absichtlich zu verschleppen. Scharping verlangte den Rücktritt von Bundesinnenminister Rudolf Seiters (CDU), weil dieser zu verantworten habe, daß mittlerweile fast 400.000 Anträge beim Zirndorfer Bundesamt unbearbeitet herumlägen. Seiters torpediere zudem das seit Juli geltende Asylbeschleunigungsgesetz. „Schlampereien“ und eine „systematische Torpedierung“ hielt auch der niedersächsische Bundesratsminister Jürgen Trittin (Grüne) dem Innenminister vor.

Seiters wies diese Vorwürfe zurück und drehte den Spieß um. Noch nie zuvor habe das Bundesamt eine ähnlich große Zahl von Fällen bearbeitet wie im letzten dreiviertel Jahr, nämlich 140.000. Die Zahl der unbearbeiteten Fälle steige allein deswegen, weil die Zahl der BewerberInnen zunehme. Laut Innenministerium haben in den ersten acht Monaten dieses Jahres 274.000 Menschen Asyl beantragt, 256.000 waren es im gesamten Vorjahr. Der „unkontrollierte Zustrom“, so zeige sich erneut, könne eben ohne Grundrechtsänderung nicht bewältigt werden. Ergo: Die von der SPD geführte „Kampagne“ sei ein „durchsichtiger Versuch, von ihrem bisherigen Versagen abzulenken“. Weitgehende Änderungen des Asylrechts forderte jetzt auch der Vorsitzende des Bundestagsrechtsausschusses, Horst Eylmann (CDU). „Das individuelle Recht muß durch einen allgemeinen Schutz ersetzt werden“, sagte er gegenüber dem Kölner Express. Eylmann befürwortet Länderlisten und Aufnahmezahlen für Asylsuchende und warnte vor einer Einigung zwischen Koalition und SPD „auf den kleinsten gemeinsamen Nenner“. Das Grundproblem, „daß auch Ausländer, die offensichtlich keinen Anspruch auf Asyl haben, vorläufig bei uns bleiben dürfen, würde nicht behoben“.

Wann und wie die SPD Gespräche und Verhandlungen mit den Regierungsparteien über eine Änderung des Asylrechts beginnen wird, weiß derzeit niemand. Auch Fraktionschef Hans-Ulrich Klose scheint verwirrt. In der Bild erklärte er gestern: „Wenn der Parteivorstand Ende nächster Woche die neuen Vorschläge bestätigt, werden die Experten der Bundestagsfraktion mit den anderen Fraktionen Gespräche aufnehmen.“ Die Berliner Morgenpost zitiert am gleichen Tag einen vorsichtigeren Klose: Selbstverständlich werde die Fraktion vor einem möglichen Sonderparteitag nichts festlegen. Daß Parteichef Engholm dem Parteivorstand vorschlagen wird, die umstrittenen Beschlüsse zu Asyl und Bundeswehr auf einem Parteitag zu beschließen, ist inzwischen fast sicher. Als möglicher Termin wurde der 30.10. genannt. Eine elegante und bewährte Lösung des Problems von Fraktionshandeln und Parteibeschlüssen trug die bayerische SPD-Spitzenkandidatin Renate Schmidt ihrer Fraktionsführung an: schon jetzt Gespräche, aber Entscheidungen dürften dabei nicht getroffen werden. Einen Sonderparteitag hält sie persönlich zwar für überflüssig, aber „um jedem Anschein undemokratischen Verhaltens vorzubeugen“, sollte das Präsidium den Weg zum Parteitag selbst ebnen.

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