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Lokalkoloratur

■ Wolf Biermann

LOKALKOLORATUR

Bekenntnisse eines Atheisten: Wenn Wolf Biermann, Liedermacher, traurig ist, hört er eine Kantate des tief gläubig gewesenen Johann Sebastian Bach. Dessen Lied „Ich hatte viel Bekümmernis“ dient dem ehemaligen

DDR-Kritiker als „Seelenkrücke“ in trüben Stunden, wie uns Biermann in einem Büchlein mitteilt, das jetzt unter dem Titel der Bach-Kantate im Theologischen Verlag Zürich erschienen ist. „Wie ein Blitz“ haben ihn besonders zwei Zeilen seines großen Musikerkollegen getroffen: „Wir machen unser Kreuz und Leid / nur größer durch die Traurigkeit“. „Wie die Heilung von einer Krankheit in meinem Gemüt“ empfindet der ewig zerquält wirkende Polit-Barde das, in seinem Leid ernst genommen fühlt er sich. „Die Musik des göttlichen Bach stachelt mich“, schreibt Biermann und nimmt sich vor: „Bloß nicht zerfließen in Selbstmitleid. Trotz alledem lustig leben, kleiner Biermann, du großer Trauerkloß.“ Schließlich braucht auch ein Ungläubiger einen Halt in dieser dunklen Welt, und wie man sich den schafft, können wir auch lesen: An Gott glauben kann der schnauzbärtige Musiker zwar nach wie vor nicht. Aber gäbe es einen Gott, und wäre dieser je Mensch geworden, dann hieße der gewiß nicht Jesus von Nazareth, sondern Johann Sebastian Bach. Bleibt nachzutragen, daß der Preis für diese Ergüsse zwischen zwei Buchdeckeln wiederum ein ziemlich unchristlicher ist: magere 35 Seiten für ganze 15 Mark. epd/taz

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