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■ LESERiNNENBRIEFEAn die Ausländerbeauftragte Frau John und den Senat für Soziales

Sehr geehrte Frau John,

Ich bin schockiert über Ihre letzte Posteraktion der »Miteinander leben«-Kampagne. Während in Eberswalde gegen rassistische Mörder prozessiert wird, während Polizisten nicht einschreiten, während deutsche Rassisten unter Bejubeln ein Asylantenheim und seine Bewohner anzünden (Rostock), während fast täglich irgendwo in Deutschland ein rassistischer Vorfall stattfindet, sind die Berliner U-Bahn-Wände mit diesem Plakat [Springerstiefel-Beine neben schwarzen Stöckelschuh- Beinen, d.Red.] beklebt.

Als Mutter schwarzer Kinder, als Frau und Freundin vieler Betroffener protestiere ich gegen diese Aktion. Das Plakat ist eine Verletzung der Würde der Menschen, insbesondere der Frauen. Die Opfer werden nochmal zu Opfern gemacht, sie sollen sich anmachen lassen. Sie bieten die schwarze Frau den Rassisten als Sexualobjekt an. Wieder ist das Opfer passiv und der Agierende der Skin. Appellieren Sie an die Verantwortung der Opfer? Wollen Sie sagen, »die meinen es nicht so«? Warum entschuldigen Sie die Täter? Was soll dieses Plakat bei diesen Tätern auslösen?

Wie fühlen sich die Betroffenen beim Anblick des Plakates? Wie fühlen sich Afrodeutsche oder ausländische Frauen und Männer und Jugendliche? Jona Ipinge, die Mutter von Antonio Amadeus Kind? Die Toten, die Sie nicht mehr fragen können? Und viele andere Tausende?

Als Ausländerbeauftragte und politisch Verantwortliche sind Ihnen alle Vereine, Kultur- und Begegnungszentren, Gruppen, Projekte, Elterngruppen und Interessengruppen von AusländerInnen und schwarzen Deutschen bekannt. Eine politische Kampagne, die Rassismus abbauen soll, muß mit den Betroffenen erarbeitet werden. In öffentlichen Anhörungen, Podiumsdiskussionen, Seminaren und Arbeitsgruppen müssen der alltägliche Rassismus und diese Pogrome bekämpft werden. Die tägliche Realität ist Nichtbetroffenen nicht klar!

Ist Ihnen klar, was es bedeutet, wenn das eigene Leben, das der Kinder, der Freunde, geliebter Menschen bedroht ist — hier in Deutschland 1992? Wir müssen uns überlegen, wann und wo wir hingehen können, unsere Kinder können an bestimmten Klassenausflügen und Kindergartenausflügen nicht teilnehmen! Das ist unsere Realität! Ihr Plakat ist eiskalter Hohn, eine doppelte Attacke! Christine Voigts

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