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Mehr als 400 Sekten in Berlin

■ Immer aggressivere Methoden bei der Werbung von Mitgliedern/ Ausstellung der katholischen Kirche

Moabit. Seit der Wende verlegen immer mehr Sekten ihren Hauptsitz nach Berlin, um von hier aus neue Mitglieder in Ostdeutschland und in den osteuropäischen Ländern zu werben. Der »Arbeitskreis Neue Jugendreligionen« der Katholischen Kirche hat aus diesem Grund eine Veranstaltungsreihe zum Thema »Jugendreligionen — Okkultismus — Esoterik« gestartet. Neben Vorträgen und Seminaren zeigt der Arbeitskreis eine Ausstellung im Dominikanerkloster St. Paulus in Moabit.

Auf sechzig Schautafeln sind Informationen über die Ideologien, die Gründer und die Lebenspraxis einiger ausgewählter Sekten und weltanschaulicher Gruppen gesammelt. Mehr als 400 solcher Gruppen gibt es allein in Berlin — ein schillerndes Spektrum von Meditationsgruppen, Psycho-Treffs und »klassischen« Sekten wie Bhagwan oder Scientology. »Das Spektrum ist sehr breitgefächert, das macht die Einordnung schwierig«, erklärte Petra Schipmann von der Senatsverwaltung für Jugend. Einige Gruppen treten auch als Partei auf, wie beispielsweise die rechtsgerichtete »Europäische Arbeiterpartei« oder die »Humanistische Partei«.

Die Methoden der Mitgliederwerbung würden immer rücksichtsloser, sagte Pater Klaus Funke, Leiter des »Arbeitskreises Neue Jugendreligionen«. Gerade in den neuen Bundesländern würden neue Anhänger häufig durch Arbeits- oder Fortbildungsangebote angelockt. In Sachsen und Mecklenburg würben psychologisch geschulte Scientology-Leute um neue Mitglieder. »In der DDR gab es ja außer allgemeiner Religionskritik keine wirklichen Informationen über Religion«, erklärte Gerald Kluge, Sektenbeauftragter des Bistums Dresden. »Jetzt werden besonders Jugendliche mit persönlichen Problemen von den Sekten angesprochen.«

Die Ausstellung richtet sich vor allem an Lehrer und Erzieher, die die Informationen an ihre Zöglinge weitergeben sollen — vermutlich liegt darin ein Grund, daß sie ziemlich trocken ist. Außer den Informationstafeln gibt es aber immerhin zwei Schaukästen mit Büchern über Astrologie, Zaubersprüche und Tarotkarten. mh

Ausstellung im Dominikanerkloster St. Paulus, Oldenburger Straße 46, bis 20.9., 16.30 bis 19.30, Schulklassen und Gruppen nach Vereinbarung. Eintritt frei.

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