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Unangenehme Fragen an Rostocker Bürgerschaft

Untersuchungsausschuß zum Pogrom in Lichtenhagen beschlossen/ Ausländerbeauftragter läßt nicht locker  ■ Aus Rostock Bascha Mika

Viel war von Scham die Rede, wenig von Schuld. Bei der Sitzung der Rostocker Bürgerschaftssitzung am Mittwoch abend wollte niemand so recht Verantwortung übernehmen für das Versagen von Polizei und Politik bei den rassistischen Überfällen in Lichtenhagen. „Wie ist mit der Warnung vor rechtsradikalen Übergriffen umgegangen worden?“, wollte Wolfgang Richter, Ausländerbeauftragter der Stadt, wissen. „Warum ist der Bundesgrenzschutz nicht rechtzeitig angefordert worden? Oder die Bundesarmee? Uns wäre es egal gewesen, wer uns gerettet hätte!“

Seit Beginn der Randale hatte Richter die vietnamesischen Familien von Lichtenhagen betreut. Ihr Wohnheim liegt im selben Häuserblock wie die Zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber (ZAST). Am Montag vergangener Woche waren die 150 VietnamesInnen und der Ausländerbeauftragte im brennenden Heim eingeschlossen gewesen.

Ruhig beschrieb Richter die Eskalation der Gewalt aus der Sicht der Betroffenen. Die Bürgerschaft hatte vorgeschlagen, Richter für sein Engagement in das „Goldene Buch“ der Stadt Rostock einzutragen. Dies muß ihm einigermaßen grotesk vorgekommen sein; er lehnte dankend ab.

Der Ausländerbeauftragte machte den Stadtpolitikern keine Vorwürfe, aber er stellte unangenehme Fragen. Warum zum Beispiel funktionierte der Notruf der Polizei in der besagten Nacht nicht? Schwerins Innenminister Kupfer hatte sich mit der Behauptung herausgeredet, mit einem Funktelefon sei die 110 nicht anwählbar. „Recherchen bei der Telekom aber haben ergeben“, so Richter, „daß dies nicht den Tatsachen entspricht.“

Jede Menge Ungereimtheiten, die auch Innensenator Peter Magdanz nicht befriedigend klären konnte. Statt dessen stellte der 31jährige fest, daß es in Rostock niemanden gegeben hätte, „der mit dem Schicksal von Menschen gespielt hat, um politische Lösungen zu erzwingen“. Er selbst hätte alles getan, „damit der tägliche Kampf um die Unterbringung der Asylbewerber gewonnen wird“. Gegenüber der taz betonte Magdanz die Schwierigkeiten mit der ZAST in Lichtenhagen. Jeden Tag hätte man Flüchtlinge von dort in andere Notunterkünfte gebracht, „aber nachts kamen sie mit Bussen an und lagen wieder auf der Wiese vor dem Heim“.

Auch der neue Polizeichef von Rostock konnte der Bürgerschaft keine Aufklärung über die Versäumnisse in Lichtenhagen geben. „Ich würde gern, aber ich darf nicht“, sagte Dieter Hempel. Er sei als Zeuge im Schweriner Untersuchungsausschuß geladen und daher zum Schweigen verpflichtet. Am Rande der Sitzung räumte er gegenüber der taz ein, daß die Rostocker Polizeiführung „eklatante taktische Fehler“ bei den Einsätzen gegen die Randalierer gemacht habe.

Aus Polizeikreisen verlautete am Mittwoch, daß für die Polizeiaktion in Lichtenhagen „genügend gut ausgerüstete Kräfte“ selbst im Raum Rostock und Schwerin zur Verfügung gestanden hätten — nur hatte sie niemand angefordert.

Jetzt soll ein Untersuchungsausschuß in Rostock mögliche Fehler und Versäumnisse des Senats und der Bürgerschaft aufklären.

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