: NEU IN DER SCHAUBURG: Twin Peaks — Der Film
Jetzt lebt Laura Palmer also wieder. Die Fernsehserie „Twin Peaks“ begann mit den Bildern von ihrem angeschwemmten, in Plastik verpackten Leichnam, aber in seinem „Prequel“ zeigt David Lynch ihren Leidensweg an den sieben Tag vor ihrem Tod. Der künstlerische und kommerzielle Erfolg war so immens, daß Lynch fast gezwungen war, nochmal abzuzocken.
Lynch hat den Film ganz auf das Publikum zugeschnitten, das die TV Serie gesehen hat. Die Personen werden nicht vorgestellt, die Geschehnisse nicht erklärt, und sogar das Lokalkolorit der amerikanischen Kleinstadt ist herausgekürzt. All das haben die Fans eh noch im Kopf. Damit kommt Lynch aber an ein Dilemma: Wie kann man in einem Kriminalfilm Spannung erzeugen, wenn das Publikum schon genau weiß, wer wenn wann warum und wie umgebracht hat? Lynch inszeniert etwa die Szene, in der Laura Palmer vom bösen Geist Bob vergewaltigt wird, und in ihm ihren Vater erkennt, mit den traditionellen Mitteln des Spannungskinos, aber das Publikum wartet nur ungeduldig auf den raffinierten Schnitt, in dem sich das Gesicht des Langhaarigen in das von Leland Palmer verwandelt. Alle Fernseh-Tricks werden hier nur wiederholt: der rückwärts sprechende Zwerg, die surrealen Traumsequenzen und Räume wirken nur noch wie Zitate. Einige Obszönitäten, etwas nackte Haut, Drogenkonsum und viele eklige Nahaufnahmen, die im Fernsehen von der Zenzur gestrichen worden wären, werden jetzt allzudeutlich präsentiert.
Eine Vorgeschichte, in der in andere FBI-Agenten in einer anderen Stadt den Mord an einer anderen jungen Frau untersuchen, scheint nur dazu zu dienen, möglichst viele Stars in kurzen Auftritten zu präsentieren. David Bowie, Kiefer Sutherland, Harry Dean Stanton und der Rockmusiker Chris Isaak sind dabeigewesen, viel mehr aber auch nicht. Und auch Kyle MacLachlan als Special Agent Dale Cooper, die interessanteste und wohl auch witzigste Figur der Serie, leistet in wenigem Szenen im Prolog gerade mal Dienst nach Vorschrift.
Viele der Schauspieler aus der Serie wollten im Film nicht mitspielen, und so fällt ein Großteil der Nebenfiguren einfach weg. Mit Lauras bester Freundin Donna ging das nicht, und jetzt wird sie einfach von einer anderen Schauspielerin gespielt. Noch gravierender ist es aber, daß die Erzählstruktur geändert wurde. Aus Mangel an Masse kann Lynch nun nicht mehr zwischen den verschiedenen Handlungssträngen, Personen und Schauplätzen wechseln, für den größten Teil des Films hängen wir ganz konventionell an den Schuhsohlen von Laura Palmer, und spätestens nach der zehnten Nahaufnahme ihrer Leidensmine hofft man, daß die sieben letzten Tage ihres Lebens in möglichst wenig Filmminuten verfliegen.
In der ersten Einstellung des Filmes wird ein Fernsehgerät zertrümmert. Aber im Gegensatz zu diesem überdeutlichen Hinweis ist Lynch hier ein ungewöhnliches Kunststück gelungen. Bei „Twin Peaks“ ist das Kino kleiner als der Bildschirm. Wilfried Hippen
In der Schauburg täglich um 16.15, 18.30, 21, 22.30 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen