: „Kein feministisches Wunderland“
Frauenförderung per Institution: Zehn Jahre Frauenamt in Köln ■ Von Karin Flothmann
Berlin (taz) — „Als wir das erste Mal das Wort Frauenförderplan in den Mund genommen haben, sind die Ratsherren in Köln noch vor Schreck vom Stuhl gefallen. Das war Teufelszeug“, so beschreibt Lie Selter, Leiterin des Kölner Frauenamtes, die Situation vor zehn Jahren. Damals, so die 41jährige studierte Sozialpädagogin, war Gleichstellungspolitik noch „ein absolutes frauenpolitisches Entwicklungsland“. Zehn Jahre danach schmückt sich so manche LokalpolitikerIn im Wahlkampf gern mit den städtischen Errungenschaften in Sachen Gleichstellung. Das „Teufelszeug“ Frauenförderplan hat den Weg durch die Verwaltungsinstanzen längst passiert und ist durchgesetzt.
Nach den Stadtstaaten Hamburg und Bremen richtete die Stadt Köln gegen den massiven Protest der CDU im Herbst 1982 die erste kommunale Frauengleichstellungsstelle ein. Erst zwei Jahre später folgten nach und nach vergleichbare Einrichtungen in anderen Städten. Die Frauenbewegung hatte mann bis dato in der Kölner Verwaltung konsequent ignoriert. Aufgaben gab es in den Anfangsjahren zur Genüge, aber keine Kompetenzen, kein Personal und kein Geld. Zusammen mit einer Kollegin kümmerte sich Lie Selter um alles, was anfiel. Egal ob eine Frau zu ihr ins Büro kam, um über die Diskriminierung am Arbeitsplatz zu berichten oder ob sich Frauen über die sexistischen Werbeplakate eines Films aufregten, deren weiteren Aushang die Gleichstellungsstelle unterbinden konnte.
Die Gleichstellungsbeauftragte als Alibifrau, mit der sich eine Stadt das fortschrittlich aufgeschlossene Mäntelchen umhängt? Wenn Lie Selter auf die Anfangszeit im Frauenbüro zurückblickt, dann kann sie dem nur zustimmen. „Ja, mit Sicherheit war ich eine Alibifrau.“ Dazu kam noch der „Kulturschock“, den die Verwaltungsstrukturen auslösten. „Ich habe nicht gewußt, daß die Verwaltung so schwerfällig ist“, meint Lie Selter heute. „Das, was ich jetzt nach zehn Jahren durchgesetzt habe, wollte ich eigentlich in drei oder vier Jahren erreichen.“
Mittlerweile müssen frauenrelevante Ratsvorlagen zunächst das Frauenamt passieren. Stellen werden häufiger mit einer Frau besetzt, die Mitarbeiterinnen des Amtes können Besetzungen zwar nicht verhindern, aber verzögern. Und Lie Selter ist Mitglied der Verwaltungskonferenz, dem höchsten Verwaltungsgremium der Stadt. Inzwischen kann das Frauenamt auf acht Planstellen verweisen. Die großzügigen Räumlichkeiten auf zwei Etagen werden längst von Frauengruppen wie dem Arbeitskreis frauengerechte Stadtplanung oder dem Frauenprojekteplenum genutzt.
Daß auch autonome Frauenprojekte und -initiativen mit dem Frauenamt — wenn auch nur punktuell — zusammenarbeiten, war nicht immer so. Zu Anfang stand vor allem Lie Selter im Spannungsfeld zwischen Institution und Bewegung. Zusammen mit der Kölner Soziologin Maria Mies und anderen hatte sie 1976 in Köln das erste Frauenhaus im westdeutschen Raum gegründet. Gerade die autonome Frauenbewegung verfolgte ihren Weg ins Kölner Frauenamt äußerst mißtrauisch. Frauen, die in die Institutionen gingen, galten als Verräterinnen der Bewegung. Heute landen Projektanträge auf Zuschüsse längst nicht mehr automatisch im Papierkorb eines Beamten. Das Frauenamt versteht sich „als verlängerter Arm der Frauenbewegung in der Institution“. Daß die Förderung nicht ausreicht, daß gekürzt wird, wenn überall gekürzt wird, ist auch Lie Selter völlig klar: „Wir sind eben in Köln nicht das feministische Wunderland.“
Bundesweit existieren heute in mehr als 1.100 Städten und Kommunen Frauenbüros oder Gleichstellungsstellen, davon allein 424 in den neuen Bundesländern. Und nicht wenige von ihnen profitierten von den Erfahrungen der Kölnerinnen. Wenn sie heute ein Resümee ihrer Arbeit ziehen soll, zögert Lie Selter nicht lang: „Ich bin vor zehn Jahren eigentlich angetreten, um mit Frauen etwas für Frauen zu machen, und seit zehn Jahren arbeite ich fast nur mit Männern zusammen. Ich versuche praktisch die Forderungen von Frauen an den Mann zu bringen, weil eben immer noch die Männer die Macht haben.“
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